Tag 6:
(oder 5, je nachdem...)
Wir hatten zwar am Vorabend im Blu Pig wahrlich ausgiebig gegessen, aber trotzdem waren wir am Morgen schon wieder hungrig. Das angekündigte Frühstücksbuffet im La Quinta übertraf unsere Erwartungen. Es gab eine grosse Auswahl, u.a. mit Sausage Patties und -Links, Rührei, hart gekochten Eiern, Omelettes, Speckstreifen, O'Brien Potatoes, Pancakes und Waffles, Donuts, Muffins, diverse Säfte, Voll- und Magermilch, diverse Yoghurts, Cereals, verschiedene Geschmacksrichtungen Kaffee und Tee, usw., usw... Da im Frühstücksbereich trotz der hundefreundlichen Einstellung des Hotels keine Hunde erlaubt waren, brachten wir unser Frühstück mit auf's Zimmer und begannen so den Tag gemütlich mit Frühstück und Fernsehen. Die Mrs. fand dabei einen Kanal mit einem Deutschkurs für Kinder. Im Mormonenstaat werden ja schon die jüngsten, männlichen Familienmitglieder darauf vorbereitet, später einmal als Missionare des Elohim die Welt zu retten. Dafür müssen die Kleinen schon rechtzeitig mit der Sprachausbildung beginnen. Und wie bei allen an Kindern interessierten Organisationen, beginnt die entsprechende Ausbildung somit in jungen Jahren und in spielerischer Form.
Wir liessen uns dadurch aber nicht den Appetit verderben. Nach dem Frühstück bekam Gracie dann erst einmal ihren Morgenspaziergang. Gleich hinter dem Hotel gab es einen netten Park, den die Kleine ausgiebig erkunden und als ihr Eigentum markieren durfte. Der Morgenspaziergang tat uns allen gut, denn das mehr als reichliche Frühstück konnte sich so besser im Magen verteilen. Ausserdem hatten wir das Gefühl, so zumindest einen Teil der Pancake-Kalorien abgearbeitet zu haben.
Eigentlich fühlten wir uns im La Quinta so wohl, dass wir es nicht allzu eilig mit der Abreise hatten. Der beste Grund, bzw. die beste Ausrede für unsere Faulheit war, dass wir an dem Tag nur zum Arches NP wollten, der ja gleich bei Moab liegt - also keine lange Anreise und so, da kann man sich Zeit lassen. Aber irgendwann überwog dann doch das schlechte Gewissen und wir checkten aus dem schönen La Quinta aus, fuhren zum City Markt, betankten den Kleinwagen und erledigten ein paar Einkäufe. Ich hatte vergessen, Handschuhe auf den Trip mitzunehmen. Nicht dass es temperaturmässig ein Problem gewesen wäre, keine Handschuhe dabei zu haben. Aber bei der Stossfänger-wiederanschraub Aktion in Bullfrog hätten sich Handschuhe schon recht gut geeignet, die Schrammen an den Händen zu vermeiden. Also kaufte ich im City Markt ein paar Arbeitshandschuhe - Man(n) weiss ja nie wofür's dann doch einmal gut sein kann. Zusätzlich füllten wir noch unsere Wasser- und Eisvorräte und besorgten zudem noch ein bisschen Proviant. Man weiss ja nie, wofür's noch einmal gut sein kann und so...
Weitre ging's zum Visitor Center des Arches NP. Die Mrs. stürmte den Souvenirs-Shop und kaufte den obligatorischen Kühlschrank-Magneten. Ich wartete inzwischen mit Gracie draussen und die Kleine machte in der Zeit viele neue Freunde. Sie liebt Aufmerksamkeit und nichts ist schöner für sie, als wenn ein paar Zweibeiner um sie herumstehen und "Ah" und "Oh" und "So Cute" rufen.
Als die Mrs. ihre Einkäufe erledigt hatte und zum Rudel zurückgekehrt war, machten wir uns auf den Weg in den Park. Das Verkehrsaufkommen war wieder einmal eher auf der heftigen Seite und an den diversen Aussichtspunkten und Parkplätzen herrschte dichtes Gedränge. Es war zwar nicht ganz so schlimm wie wenige Tage zuvor im Zion, aber eben doch recht überlaufen. Da der Arches ein Nationalpark ist, durfte Gracie wieder einmal gar nichts und auf keine Trails, sodass wir auf die vollgeparkten Aussichtspunkte beschränkt waren.
Um doch noch ein bisschen näher an die Natur und weiter weg von den Touristenmassen zu kommen, beschlossen wir die unbefestigte Salt Valley Road zu nehmen und dann über einen Trail Richtung Süden den Park zu durchfahren. An selbigem Trail war ich in der Vergangenheit schon zweimal gescheitert, aber damals mit inferiorer Technik. Beim ersten Mal hatte ich einen serienmässigen Ford Expedition und beim zweiten gescheiterten Versuch, einen nur leicht modifizierten Explorer. Diesmal trat ich mit einem Monstertruck an. Der Trail würde keine Chance haben und ich würde ihn nun endlich bezwingen. Daran herrschte nicht der Hauch eines Zweifels.
Sobald wir den Asphalt hinter uns gelassen hatten, ebbte auch das Verkehrsaufkommen schlagartig ab. Ein paar Miet-SUV's wagten sich noch einige Meilen auf die zunächst gut ausgebaute Schotterstrasse. Aber spätestens am Beginn des bösen Trails (dieser beginnt gleich einmal mit einem steilen und felsigen Anstieg) waren wir alleine unterwegs.
Es ging bestens voran und zügig vorbei an den Stellen, wo ich mit den weniger geeigneten Fahrzeugen vor einigen Jahren umdrehen noch musste. Was kümmern einen Felsstufen von 30+ Zentimetern, wenn man sowieso einen halben Meter Bodenfreiheit hat? Ja, man(n) braucht eben einfach nur das richtige Werkzeug und dann klappt's auch mit dem bösen Trail. Ich war der König der Welt!
Bis zu einem Abschnitt ganz ohne Felsen, dafür aber mit sehr tiefem Sand. Auch das sollte an und für sich kein Problem sein, denn wozu hätte sonst der König der Welt $2,000 in einen Satz dicke MT-Reifen investiert?
Also ging's hinein in's sandige Vergnügen - und da blieben wir dann auch. Nach rund 30 Metern war das rechte Hinterrad (der Übeltäter vom Lake Powell-Strand - wir erinnern uns...) bis zur Radnabe im Sand eingegraben. Der König der Welt und Beherrscher aller Offroad-Trails hatte wieder majestätisch darauf verzichtet (eher vergessen), rechtzeitig den Allradantrieb zu aktivieren. Und nu war es zu spät dafür, denn selbst mit Allradantrieb liess sich die Fuhre nicht mehr aus dem Sand bewegen.
Um es etwas interessanter zu machen, hatte sich das rechte Hinterrad direkt an einem sandigen Abhang eingegraben. Einfach rausschaufeln ging also nicht, denn jeder Schaufel voll weggeschaufeltem Sand rieselte in doppelter Menge vom Abhang herunter in das freigeschaufelte Loch. Ich schaufelte trotzdem eine Weile lang Sand durch die Gegend. Ich hatte ja ohnehin nichts besseres zu tun und wenn nichts hilft dann hilft wenigstens das Gefühl, irgendwas zu tun. Die Mrs. verzog sich aus dem Truck, da die Klimaanlage wieder einmal Pause machte und es ohnehin schon so an die 100°F draussen hatte. Sie und Gracie machten es sich im Schatten unter einem Baum gemütlich und ich schaufelte gemütlich Sand - ohne Schatten, in der Sonne...
Nach rund einer halben Stunde sinn- und ergebnislosen Schaufelns war ich dann auch nicht mehr in Stimmung und machte Pause. Die Mrs. teilte mir ihre Besorgnis darüber mit, dass uns hier am Trail und im Sand des selbigen ein einsamer und dennoch qualvoller Tod heimsuchen könnte. Ich beruhigte sie, indem ich ihr die Symptome des Verdurstens genau erläuterte und erklärte dass Verdursten eigentlich nicht allzu qualvoll wäre. Irgendwie beruhigte sie das aber nicht allzu sehr...
Ich hatte zwar keinen Plan, aber der Plan war, erst einmal nichts zu tun und darauf zu warten, bis es abends kühler werden würde. Der Alternativplan war, darauf zu warten, bis ein anderer Offroad-König des Weges kommen würde - bevorzugt einer mit einer Seilwinde.
So sassen wir im Schatten der Pinie und warteten auf kühlere Temperaturen, eine Seilwinde oder sonst ein Wunder. Wir hatten zwar kein Mobilfunk-Netz, aber Dank unserer Einkäufe vom Morgen, Wasser und Proviant für 3 Tage (ohne die Vorräte zu rationieren). Ja, man(n) weiss eben nie wann's für was gut ist!

Zudem hatten wir noch mehr als ausreichend Überlebensausrüstung mit dabei. Im Death Valley hätte ich mir vielleicht trotzdem Sorgen gemacht. Manche der Trails dort sehen nur alle paar Monate einen Offroader. Aber wir waren im Arches und der Trail war zwar nicht gerade eine Hauptverkehrsroute, wurde aber doch von einigen Fahrzeugen täglich befahren. Wir würden also leben. Es bestand halt nun einmal die Aussicht, dass uns für einige Zeit fad sein würde.
Nach rund eineinhalb Stunden hörten wir dann entfernt Stimmen und langsam näher kommendes Motorengeräusch. Ich ging dem Geräusch entgegen und traf auf Josh und Nicky aus Missouri, die mit ihrem Jeep den Trail in der selben Richtung befuhren. Die beiden waren mir sofort sympathisch und auch die grosse Seilwinde an deren Jeep
Ich erklärte den beiden unsere Situation und ein paar Minuten später hing unser Kleinwagen schon an der wunderschönen Seilwinde. Es dauerte nicht lange und wir waren wieder flott und auf festem Untergrund. Ich gestand Josh und Nicky, dass ich zuvor vergessen hatte, den Allradantrieb zu aktivieren. Wir alle lachten (ich ein bisschen hysterisch) und Josh meinte, dass ich es jetzt einfach einmal mit aktiviertem Allradantrieb versuchen sollte, denn damit würde es doch kein Problem sein, den tiefen Sand zu durchpflügen. Ich war etwas skeptisch, da der Sand schon ziemlich tief war und ich selbst mit Schaufel keinen festen Untergrund erreichen konnte. Ich merkte an, dass der Truck voll beladen war und an die 4 Tonnen auf die Waage brachte und dass das durchaus ein negativer Faktor für das Durchfahren tiefen Sandes darstellen würde.
Aber Josh meinte, dass das schon gehen würde.
Nach solch gutem Zureden wollte ich es natürlich noch einmal versuchen. Ausserdem hatte ich ja noch offene Rechnungen mit dem Trail. Aber um die Geschichte abzukürzen: Nope, hat trotzdem nicht funktioniert...
Josh musste meinen Truck wieder aus dem Sand ziehen, was diesmal aber etwas aufwendiger wurde, da sich nun mehrere Reifen tief eingegraben hatten und das auch noch ein gutes Stück weiter in den sandigen Abschnitt des Trails hinein. Es brauchte diesmal die volle Länge des Seils von Josh's Seilwinde. Als wir nach langem hin und her dann endlich den Truck wieder dort hatten wo er schon eine Stunde zuvor gewesen war - nämlich wieder auf festem Boden - verabschiedete sich Josh's Seilwinde beim Aufspulen. Das Stahlseil musste dann in Handarbeit auf die Rolle gerollt werden, was ziemlich auf die Finger gehen kann. Da fragte mich Josh, ob ich eventuell ein paar Handschuhe hätte, denn er hatte keine...
Ahaa!

Und so kamen meine am Morgen im City Markt gekauften Handschuhe zum Einsatz. Ja, man(n) weiss eben nie wann's für was gut ist (ausser im Nachhinein, da weiss man's dann natürlich).
Die Entscheidung fiel mir nicht leicht, aber ich musste mich wieder dem Trail geschlagen geben und umdrehen. Wäre ich alleine gewesen, hätte ich wahrscheinlich noch einen Versuch unternommen. Aber da die Mrs. mit dabei war, hätte ich durch einen weiteren Versuch wohl nur allzu leicht einen Fall von Domestic Violence provoziert. Und da hätten mich Josh und Nicky auch nicht mehr retten können...
Der Weg zurück war natürlich beschämend. Ich hasse es, umzudrehen und auf diesem Trip war das nun schon das zweite Mal, nachdem wir ja beim Goblin Valley SP am Muddy Creek das Handtuch geworfen hatten. Aber es war die vernünftige Entscheidung. Der trail soll sich ruhig in Sicherheit wiegen. Ich komme wieder!
Eigentlich hatten ursprünglich wir mit dem Gedanken gespielt, nach dem Arches noch ein gutes Stück Richtung Süden und zur Needles Sektion des Canyonlands NP zu fahren und dort zu campen. Aber inzwischen war es schon zu spät, um noch weit zu fahren. Ausserdem hatten an dem Tag wir keine Lust mehr auf Natur. Wir hatten die Natur in allen Kleidungsstücken und jeder ein gutes Pfund davon in den Schuhen. Das reichte erst einmal. Mir war nach Pool, warmem Essen und einem weichen Bett. Der Mrs. ging es ebenso und Gracie war auch einverstanden. Also fuhren wir wieder beim La Quinta vor und checkten ein. Wir bekamen das exakt selbe Zimmer, welches wir schon am Vortag bekommen hatten. Und nach ein paar Runden im Pool ging's wieder in's Blu Pig zum Abendessen. Wir bestellten Chili-Cheese Fries mit Pulled Pork und BBQ'ed Portobello Mushroom Salat.
Nach dem Essen ging's zurück zum Hotel. Ich wollte noch etwas aus dem Truck holen, aber nach einem Blick auf das Chaos, welches die Schaukelei auf dem Trail zuvor hinterlassen hatte, gab ich den Versuch auf zu suchen was ich finden wollte. Es war gut, dass wir nicht campen mussten. Wir hätten nichts gefunden und unser Lager wäre wohl erst im Morgengrauen fertig aufgeschlagen gewesen...
Ich schloss also die Heckklappe des Trucks und ging einfach schlafen.