Mitte November droht der Shutdown: Die Seifenoper im US-Kongress geht weiter
ZitatAlles anzeigenNach drei chaotischen Wochen stehen die Republikaner im Repräsentantenhaus wieder bei null. Einige Konservative planen deshalb einen Befreiungsschlag – mit den Demokraten.
Eine Gemeinsamkeit immerhin sticht ins Auge: Die neueste Riege der republikanischen Bewerber in der peinlichen Seifenoper um die Neubesetzung des Chefpostens im US-Repräsentantenhaus ist komplett männlich. Neun Kandidaten wollen den protokollarisch dritthöchsten Posten der USA übernehmen. Doch die meisten Namen müssen selbst professionelle Kapitol-Beobachter erst einmal googeln. Hinterbänkler, die bislang kaum in Erscheinung getreten sind.
Nach drei Wochen des Chaos und dem Scheitern des Hardliners Jim Jordan am vorigen Freitag steht die Mehrheitsfraktion im amerikanischen Kongress wieder bei null. Rückblick: Anfang Oktober hatten acht Trump-treue ultrarechte Abgeordnete den bisherigen Speaker Kevin McCarthy gestürzt, weil sich dieser mit den Demokraten auf einen Kompromiss für einen Übergangshaushalt geeinigt hatte. Seither versuchen die Republikaner vergeblich, mit ihrer knappen Mehrheit einen Nachfolger zu installieren. Denn: Ohne einen Vorsitzenden ist das Parlament handlungsunfähig. Weder Hilfen für die Ukraine, noch für Israel oder der US-Haushalt können beschlossen werden.
An markigen Äußerungen besteht kein Mangel: "Ich werde diesen Kindergarten nicht weiterlaufen lassen", kündigte etwa der kaum bekannte Parlamentarier Dan Meuser aus Pennsylvania an, der sich für den Speaker-Posten bewirbt. Doch angesichts der Zerstrittenheit seiner Fraktion erscheint es höchst fraglich, dass er oder einer seiner innerparteilichen Konkurrenten im Plenum tatsächlich die erforderliche Mehrheit von 217 Stimmen erhält.
Zunächst sollten sich die neun Anwärter am Montagabend hinter verschlossenen Türen der Fraktion präsentieren. An diesem Dienstag dann wollen die Republikaner sich auf einen Namen einigen und diesen Kandidaten nominieren. Als Favorit gilt der 62-jährige Tom Emmer, der den Posten des House Majority Whip - vergleichbar etwa mit einem Parlamentarischen Geschäftsführer - bekleidet. Dadurch hat er viele Kontakte und ist allen Kollegen bekannt.
Anders als sieben seiner Mitbewerber hat Emmer den Wahlsieg von Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl anerkannt. Gerade das aber könnte angesichts des Rechtsrucks der Republikaner zum Problem werden. Der frühere Präsident Donald Trump soll schon Stimmung gegen den Ex-Eishockey-Trainer gemacht haben. Zwar hatte Emmer Trump 2016 und 2020 unterstützt, für die bevorstehende Wahl im nächsten Jahr aber noch keine Empfehlung ausgesprochen.
Gleichzeitig drängt die Zeit: Mitte November droht ein komplett unkontrollierter Stillstand der US-Regierung. In der Bevölkerung wie in der Republikaner-Fraktion wachsen Frust und Verbitterung. Zwei Drittel der Amerikaner fordern in einer aktuellen Umfrage, das Repräsentantenhaus müsse "so schnell wie möglich" einen Speaker wählen. Auch 57 Prozent der republikanischen Wähler unterstützen diese Position. Die Selbstblockade seiner Partei sei inzwischen "beschämend", sagt der gestürzte Parlamentschef McCarthy.
Sollten es die Republikaner erneut nicht schaffen, einen eigenen Kandidaten durchzubringen, könnten moderatere Konservative ihre Fühler zu den oppositionellen Demokraten ausstrecken. Der Abgeordnete Mike Kelly will dann eine Resolution einbringen, die die eigentlich nur protokollarischen Befugnisse des amtierenden kommissarischen Parlamentschefs Patrick McHenry so ausweitet, dass dieser Gesetzesentwürfe einbringen und das Repräsentantenhaus wieder arbeiten kann. Der Trump-Flügel der Republikaner hat entschiedenen Widerstand dagegen angekündigt. Die beispiellose Notlösung müsste deshalb mit Stimmen der Demokraten beschlossen werden.
Mittlerweile hat man sich auf Tom Emmer geeinigt.