Tibet - dünne Luft auf dem Dach der Welt


  • Aber was ich nicht verstehe... warum schreiben so viele: "da komme ich nicht hin"...? Kein Interesse für dieses Gebiet?

    Das sind tolle Fotos und die Reise war für Euch sicher ein Höhepunkt im Leben. Ich selber kann mir so eine Reise nicht vorstellen.
    Ob mir das Land gefällt? Keine Ahnung, nett aussehen tut es, aber mich interessiert die Kultur dort aktuell so garnicht.


    Aber ich muss zugeben, das mich Dein toller Bericht etwas neugierig gemacht hat!


    Aber ich bin ja auch erst 6 Jahre verheiratet... bis zur Silberhochzeit ist es ja noch etwas hin :love: :D


    Andree

  • Ich gebe ganz offen zu, dass Asien für mich grundsätzlich zu den Gebieten gehört, wo ich nicht hin fahren will (zum Urlaub machen).

    Ich stimme dir in jeglicher Hinsicht zu und erweitere deine Aussage zum Urlaubskontinent noch um Afrika!! :thumbdown:


  • Tag 7


    Irgendwie eine blöde Situation heute morgen…sollen wir uns noch einmal mit unserem Guide treffen?...wie wird er reagieren?…aber dann erledigt es sich von ganz alleine. Er kommt auf uns zu und zeigt sich verwundert über unsere Beschwerde. Wir haben auch keine Lust mehr mit ihm großartig zu diskutieren, sein Englisch ist eh stark begrenzt.
    Einzig und allein sorgen uns Bedenken, wie der Fahrer darauf reagieren wird. Mit ihm sind wir ja total zufrieden, nur wie sollen wir ihm das sagen, ohne ein Wort tibetisch oder Mandarin zu beherrschen …?


    An der Rezeption werden wir informiert, daß unser „Neuer“ erst gegen Mittag erwartet wird, wir also bis dahin Freizeit haben.


    Selbstbestimmte Freizeit ist immer gut.


    Wir schnappen uns den Fahrer und lassen uns zum „Wochenmarkt“ bringen. Geben ihm in Zeichensprache zu erkennen, daß wir den Rückweg alleine finden werden.


    Dieser Wochenmarkt ist ein ganz besonderes Erlebnis für die Sinne.
    Beim Anblick dieser Aufnahmen ist es gut zu wissen, daß man durch diese unglaublich trockene Luft nichts riecht. Ob der Geruchssinn tot ist…oder alles von der trockenen Luft absorbiert wird…entzieht sich unserer Kenntnis.


    Wir schlendern also entlang der Stände, die anfangs nur Gebetsmühlen, Korbwaren und Schmuck anbieten...





    ....aber dann kommt die Lebensmittelabteilung.





    Was wir im Supermarkt fein zerkleinert kaufen, gibt es hier im Stück…und das enthäutet.



    ...hier werden die Tiere wie Handtaschen weggetragen...


    Man muß schon einen festen Blick haben, um sich hier nicht übergeben zu müssen. Es wäre ja unfair, denn sauber ist es allemal. Und da hier nix vom Vortag übrigbleibt, ist es auch noch frisch.





    Nach einer halben Stunde reicht es mir und ich muß weg !!!


    Wegen unserer Verabredung mit einem Mitarbeiter der Teppichweberei kehren wir zum Hotel zurück. Ganz offensichtlich spazieren hier sehr selten Langnasen ganz alleine durch die Straßen…man beäugt uns.




    Die Weberei ist gleich in der Nähe vom Hotel.



    Wir werden durch die sehr primitiven Produktionsgebäude geführt…und jede deutsche Gewerkschaft würde einen Kollaps bekommen und im Kreis tanzen bei solchen Arbeitsbedingungen. Trotzdem ist diese Führung sehr lehrreich.






    Solche Webstühle kenne ich aus der Reha zur Stärkung der Rückenmuskulatur…und ich bin immer froh gewesen, wenn die Einheit von 30 Minuten vorbei war….diese Frauen arbeiten 10-12 Stunden pro Tag daran !!!





    ...es ist wohl nicht notwendig zu erklären, daß wir auch einen Teppich kaufen könnten...selbst mit der Bezahlung würde es kein Problem geben, Kreditkarten jeder Art werden hier akzeptiert!


    Es ist Mittag und unser neuer Guide ist immer noch nicht da. Wir setzen uns auf die Bordsteinkante der Straße vor unserem Hotel, und beobachten das Treiben…





    Irgendwann kommt er endlich…unser Neuer heißt Tashi und ist sehr sympathisch.
    Er erzählt uns, daß sein Taxi, das ihn hierher bringen sollte, eine Panne hatte…er dann mit dem Bus kommen mußte… Wir sind begeistert, daß man solch einen Aufwand betreibt, um uns als Kunden nach diesem Desaster zufrieden zu stellen.


    Zusammen besuchen wir die Hauptattraktion Shigatse’s…das 1447 gebaute Tashilunpo Kloster. Tashi erzählt uns sehr umfangreich die Geschichte der Dalai Lamas und des Panchen Lama…von der Entführung des erst 1989 geborenen und vom gegenwärtigen Dalai Lama gewählten 11.Panchen Lama und seiner Familie durch die chinesische Regierung… Zugegeben haben wir uns vor der Reise mit der Geschichte Tibets nur oberflächlich beschäftigt und die Fülle der Informationen müssen wir erst nach der Reise verarbeiten.








    Anschließend geht es noch auf eine längere Tour zu unserem nächsten Übernachtungshotel… Unser Fahrer ist seit der Ankunft des neuen Reiseführers freundlicher und aufgeschlossener…Während der Fahrt haben wir nette Gespräche, jetzt erfahren wir auch mal etwas über den Fahrer, denn Tashi beherrscht die tibetische, englische Sprache und Mandarin.



    ...immer wieder bleiben wir zur Akklimatisierung stehen und legen eine Pause ein...



    ...manchmal ist es stark bewölkt, aber schon binnen kürzester Zeit ändert sich der Himmel vom bedrohlichen Grau zum herrlichsten Blau...



    ...Hirten im Gespräch...


    Der Friendship Hwy führt immer wieder über 5.000 m hohe Pässe …die Luft ist so klar , der Himmel dunkelblau und die Sonne beißt bei dieser Höhe.



    Wir bleiben in Lhatse stehen, einem Ort in dem der Hund begraben ist… Tashi sucht ein funktionierendes Telefon zur Klärung unseres außerplanmäßigen, morgigen Trips. Das scheint aber in diesem Teil Tibets gar nicht so einfach zu sein.





    ...der 5000 km Marker...


    Endlich erreichen wir den Eingang zum Qomolangma National Preserve





    Gyatso La Pass: 5160m Höhe, Sauerstoffgehalt: 52%




    ...ab nun ist der Friendship Hwy streckenweise noch im Aufbau bzw. noch unbefestigt aber gut prepariert...



    ...die Keksperten von De Beukelaer...




    ...und immer wieder einsame und unendliche Weiten...


    Wir fahren weiter nach Shegar/Tingri…nicht aufregender als der letzte Ort.


    Shegar: ca. 4300m Höhe, Sauerstoffgehalt: ca. 58%


    Tashi bindet uns in die Auswahl des Hotels ein. Das erste Hotel, das zwar höherwertiger ist, stinkt dermaßen nach Yakbutter, daß wir lieber im Auto übernachten würden als hier.


    Dann fahren wir zu einem anderen Hotel.



    Hier werden wir übernachten.


    Gleichzeitig fährt das Kastenauto unserer neuen Bekanntschaft, dem jungen Mädchen das wir erst gestern verabschiedet haben, auf den Hotelhof. Wir freuen uns, denn wir haben nicht geglaubt, uns jemals wieder zu sehen.
    Die Zimmer sind einfach…sehr einfach!
    Ich hoffe die Bettwäsche ist nur ungebügelt und nicht schon von 10 anderen Reisegruppen benutzt ;))) Deshalb sorge ich vor und wickle mein Kopfkissen mit einem Schal ein.


    Im Zimmer steht eine Thermoskanne mit Wasser. Wir holen uns neues, frisch gekochtes Wasser und gießen uns einen Tee auf. Dazu gibt es fluffiges Mondgebäck.



    ...schön zu sehen, was der Luftdruckunterschied in der luftdichten Verpackung bewirkt...


    Viel kann man hier nicht machen, aber so viel Tag ist auch nicht mehr übrig.


    Unser neuer Guide und der Fahrer schlagen vor, daß wir alle zusammen im Lokal (von Restaurant will ich gar nicht sprechen) essen. Mittlerweilen sind wir etwas abgestumpft und haben kein Problem, die hiesige Küche zu testen. Eine Nudelsuppe in Asien schmeckt aber IMMER lecker.
    7 Menschen und 4verschiedene Sprachen ist eine Herausforderung
    Der Abend ist recht fröhlich, wir testen den ein oder anderen Schnaps…gemischt mit Bier… so läßt sich das Zimmer besser ertragen…


    Hier noch "Impressionen" aus unserem Zimmer...




    ...unser fullservice bathroom...



    ...nach einem tollen und geselligem Abend, habe ich meine Freude an diesen schmiergelpapierartigen Handtüchern...wozu dann noch ein Peeling


    Na denn, gute Nacht !

  • Die Freude über das Zimmer steht dir auf dem letzten Bild im Gesicht geschrieben. Ich hätte einen neuen Rekord im Marathon-Laufen aufgestellt. Aber das Thema wird sich wohl nie stellen. Trotzdem sehr informativ. Ein Freund muss dienstlich 2 Mal im Jahr nach Asien reisen, u.a. Nepal, Thailand, Bhutan und China. Nach jeweils 14 Tagen hat er jedesmal 7-8 Kg abgenommen. Er kann sich einfach nicht überwinden, dort zu essen und hält sich mit Keksen und Wasser am Leben. :whistling:

  • Das Bad ist doch ganz praktisch eingerichtet... daneben die Dusche...kein Abziehen der Glastüren, kein Wasserstau...was will man mehr (:crazy:)


    Obelix, daß Dein Freund nach so vielen Besuchen dort nur Kekse ißt, ist mir unklar...und hier vielleicht zum Chinesen essen geht...oder auch zum Inder...?
    Anfangs bin ich überall erst einmal skeptisch, aber krank vom Essen war ich in Asien noch nie...jedoch aber in NYC, da lag ich 1,5 Tage im Bett...da wollte das Essen aus jeder Pore aus mir raus !!!

  • Das Bad ist doch ganz praktisch eingerichtet... daneben die Dusche...kein Abziehen der Glastüren, kein Wasserstau...was will man mehr (:crazy:)


    Obelix, daß Dein Freund nach so vielen Besuchen dort nur Kekse ißt, ist mir unklar...und hier vielleicht zum Chinesen essen geht...oder auch zum Inder...?
    Anfangs bin ich überall erst einmal skeptisch, aber krank vom Essen war ich in Asien noch nie...jedoch aber in NYC, da lag ich 1,5 Tage im Bett...da wollte das Essen aus jeder Pore aus mir raus !!!

    Mein Freund würde hier nie zu einem Chinesen oder Inder gehen, höchstens mal zum Italiener, ansonsten sehr "pingelig" und auf deutsche Hausmannskost eingeschworen.

  • wow, ich kann nur sagen: was für ein wundervoller, intensiver und wahnsinnig interessanter Bericht!!! Danke, dass du uns noch mal nachträglich mitnimmst und danke für die tollen bunten und eindrucksvollen Fotos.


    Für mich persönlich wäre die Gegens sicher nichts hätte ja vermutlich ab 2500 Meter Höhe schon geflucht und ab 3000 m die Segeln gestrichen (der Beartooth-HW war schon über der Schmerzgrenze) und eure Post-Treppensteigen-Schnappatmung macht mich auch nicht neidisch - aber eure Unternehmungslust vor Ort - Trotz aller Widrigkeiten - imponiert auf alle Fälle. Auch was euren Guide angeht - das habt ihr echt cool gelöst. Jetzt bin ich auf den Sonderausflug gespannt.


    Ach ja - und noch was: tolle Location für den 25th! Was habt ihr denn für den 50. vor - ist das noch mal zu toppen? (:hutab:)


  • Tag 8


    Die Nacht endet sehr früh…sehr, sehr früh.
    ..unser eingesetzter „Joker“ wird eingelöst… wir fahren zum Base Camp des Qomolangma.. (Mt. Everest)


    Wir vereinbaren, daß wir das Frühstück im Hotel „sausen“ lassen, um erst unterwegs zu frühstücken.
    Es ist eisig kalt. Der Wind schneidig….und es ist stockdunkel.


    Unterwegs werden wir immer wieder durch eine Art “Kontrollposten” aufgehalten. Und obwohl wir in der Dunkelheit dachten allein unterwegs zu sein…an den Posten gibt es immer eine Warteschlange von bis zu 15 Autos!


    Der Ablauf sieht dann wie folgt aus:
    …unser Fahrer steigt aus, schnappt sich unsere Pässe…geht in das Bretterhäuschen…kommt raus…und überholt die wartende Schlange…
    Nicht schlecht.
    Und das wiederholt sich immer wieder.


    Am Horizont wird es langsam heller… wir verlassen den Friendship Hwy und biegen in eine gut präparierte, zweispurige jedoch unbefestigte Straße, die sich die Berge erst hoch schlängelt, dann wieder runter…





    Wir machen eine Pause am Pang La Pass bei 5200m Höhe … es ist windig und schweinekalt.


    Der Fahrer macht uns keinen Mut und zweifelt beim Anblick des Himmels ob wir überhaupt die Spitze des Qomolangma sehen werden….



    Weiter geht’s mitten durch weite Täler… man sieht weit und breit nur steinige bzw. graubraune Mondlandschaft…wir sehen verlassene Ruinen…ansonsten ist es eher trist.
    Generell habe ich mehr schneebedeckte Landschaften erwartet.



    Plötzlich fällt uns ein Kastenauto auf, das im Graben liegt. Das ist das Auto unserer Bekanntschaft…aber kein Mensch zu sehen. Der Fahrer erklärt uns, daß sie sicherlich von Vorbeifahrenden mitgenommen wurden, denn in dieser lebensfeindlichen Gegend hilft jeder jedem.
    Wir fahren weiter und treffen den Fahrer des Kastenwagens mit einem Seil in der Hand. Er ist gekleidet mit nicht mehr als einem Polyesteranzug !!!! und definitiv nicht wärmend !!! , …denn wie wir erfahren, ist der Keilriemen gerissen. Aber er will keine Hilfe.



    Nun ist es Zeit endlich etwas zu essen und wir kehren ein in das „Cho Mo Lang Ma Ben Ba Guest House“. Auf den umlaufenden Sitzbänken sind meterhoch Bettdecken gestapelt. Wir vermuten, daß hier die Hausherren schlafen.
    Uriger kann man nicht frühstücken… man glaubt es nicht, aber so weit weg von jeder Zivilisation, ist man hier auf jeden Geschmack, jede Küche der Welt eingerichtet.
    Unser Fahrer ißt traditionell tibetisch :Tsampa, geröstetes Gerstenmehl das er mit Hilfe von Yakbuttertee zu mundgerechten Klößen formt.
    Tashi ißt heiße Nudelsuppe und wir essen etwas Westliches: wirklich leckere Eierkuchen zu heißem Yakbuttertee… ja nach einigen Tagen Abstinenz, geht das wieder.





    Ein wirklich einschneidendes Erlebnis und der absolute Höhepunkt ist der Besuch der Gasthaustoilette…(leider gibt es kein Foto dazu) …diese ist in der 1.Etage… ein Raum, ca. 15qm groß, wiedermal ohne Dach. In der Mitte ein geschätzt 2x2m großes Loch…am Rand 2 Geländestangen, wie die am Swimmingpool..und die mit Fenstern versehene Grube befindet sich im Erdgeschoß…. ich hatte Mühe vor Lachen nicht in das Loch zu fallen…
    … andere Länder…andere Toiletten…



    Gestärkt und aufgewärmt dauert es nicht mehr lange bis die Straße endet. Ein primitiver Holzbalken deutet auf das Ende zu. Hm . Das soll also das Base Camp sein. Wir sehen relativ weit entfernt 2 Backsteinbauten, ansonsten sind nur wir hier…
    Tashi erklärt uns, daß der weitere Weg für absolut jeden gesperrt ist, es sei denn man gehört zu einer Bergsteigergruppe.


    Die hiesigen Bewohner verdienen sich ihr Geld mit dem Zubringerdienst zum Basiscamp…Das Problem hierbei ist, einen Platz in einer solchen Mauleselskarre zu bekommen.
    Wir sind verwundert…was für ein Problem? …wir sind doch alleine hier…oder gar die Ersten..?? Tashi wirft uns ein mittleidiges Lächeln zu…es sind schon mehr als hundert Leute hier… aber wo und wo sind die Karren ?? Offensichtlich verstehen wir wieder mal gar nichts …
    Er empfiehlt uns deshalb, in der Zwischenzeit alleine zu dem Kloster in Rombugh, das mit 4.980m höchstgelegenem Kloster der Welt, zu gehen. Das Kloster wird vor allem von Sherpas genutzt, um vor dem Aufstieg an einer Reinigungszeremonie (Puja) teilzunehmen, denn ungereinigt nähern sie sich nicht dem Gipfel und damit den Göttern.





    ...was haben wir für ein Glück !!! ...der Berg ist wolkenfrei !!!


    Tibet und Nepal teilen sich den höchsten Berg der Welt. In Tibet befindet sich die Nordwand, „the Northface“
    Der westlichen Welt ist der Berg als Mt. Everest bekannt, benannt nach dem britischen Landvermesser und Generalgouverneur von Indien.
    In der Tibetischen Sprache wird er Qomolangma genannt, "Mutter des Universums".
    Und die Nepalesen nennen ihn Sagarmatha, "Stirn des Himmels".


    Als wir schon vom weiten die Eselskarren sehen, machen wir uns auf den Weg zum Schlagbaum.


    Schlagartig stehen wir mitten in einer Menschenmenge und als die Karren am Schlagbaum stehen, beginnt ein „Gekloppe“ und Feilschen, ein Drängeln und Schubsen… Wir sehen nur noch erhobene Arme der Reiseführer mit Geldbündeln , die in andere Hände wechseln… Dann gibt uns Tashi ein Zeichen, daß wir zu ihm kommen sollen, denn er hat 2 Plätze in einer 4sitzigen, primitivsten Holzkarre reserviert.
    Nach all dem, was wir am bisherigen heutigen Tag gesehen und erlebt haben, ist mir auch klar, daß man ohne einen, mit den Gepflogenheiten vertrauten, Fahrer und Reiseführer auf verlorenem Posten wäre. Ob unser vorherige Guide DAS hingekriegt hätte?


    Hinter uns nimmt eine 3köpfige Familie auf der ca. 90cm breiten Bank Platz.
    Wir sind begeistert…aber die Chinesin mit ihrem weißen Strohhut, im Sophia-Loren-Stil der frühen 60er Jahre, quatscht ununterbrochen und ihre aufdringliche Stimme nervt!
    So zuckeln wir langsam gen Base Camp.




    Der Eselskutscher ist ein junger Tibeter mit feschem Ohrschmuck. Ganz offensichtlich ist Rainer sein Typ ;))) Er hat Augen nur noch für ihn 


    Obwohl die Luft eigentlich unter -10°C sein soll, fühlt man die Sonnenstrahlen, die superangenehm, wärmend sind. Es ist extrem hell und ohne Sonnenbrille sehe ich gar nichts.
    Rainer geht alles viel zu langsam und er steigt aus. Dann steigt auch noch der Chinese aus. Endlich hält die Frau die Klappe!
    Ich versuche es ihnen nachzumachen, aber keine Chance…mein Kopf droht zu explodieren.
    Also setze ich mich wieder hin.




    ...Pause für Mensch und Tier...




    Trotz meiner Wehwehchen bin ich in bester Stimmung und könnte die Welt umarmen.
    Dann kommt eine italienische Fahrradfahrergruppe vorbei…einer steigt ab und umarmt Rainer… oha…also nicht nur wir haben das Gefühl, daß die dünne Luft etwas verwirrt macht.


    Die dünne Luft verursacht tatsächlich eine Ausschüttung an Endorphinen…ein unvorstellbares Glücksgefühl stellt sich ein.


    Irgendwann ist es soweit…wir sind am Northface Everest Base Camp bei 5.545m Höhe, mit einem Sauerstoffgehalt von 50% …nun haben wir nur noch halb soviel Sauerstoff wie gewohnt.
    Das Everest Base Camp ist ein Zeltdorf, u.a. mit einem " weltweit höchsten Teehaus" oder "weltweit höchsten Postamt" u.ä. Aber es gibt auch eine Art Hotel.



    Wir gehen noch weiter…doch irgendwann erreichen wir den Endpunkt für diejenigen ohne Permit.


    Hier ist ein Mast an dem schon hunderte der traditionellen und bunten Gebetsfahnen flattern.




    Wir binden unsere tibetischen Schals an und fühlen uns so richtig gut dabei, an dieser Stelle etwas von uns gelassen zu haben.



    Was haben wir für ein Glück ! Nicht nur daß wir Sonne pur haben, nein wir sehen auch noch die fotogene Schneefahne.
    Eine ganze Stunde sitzen wir hier und sind benebelt an einem solchen Platz zu sein…




    Mit dem Fernrohr suchen wir den Berg ab…na vielleicht sieht man ja eine Bergsteigergruppe ?
    Und ja, jetzt kann ich mir ganz genau vorstellen, warum so viele, auf dem Weg zur Spitze ihre Kräfte überschätzen, das Erfrieren der Gliedmaßen nicht spüren oder aber sich hinlegen und für immer einschlafen…das ist diese Ergriffenheit, dieses Wahnsinnsgefühl ! Diese unmerklichen Minusgrade bei wärmender Sonne…diese Gegensätze sind nirgends größer.
    Schwer vorstellbar, wenn man zu Hause am TV solche Berichte sieht…aber wer einmal hier war, wird es verstehen. Und wir verstehen es ab jetzt.


    Wir können uns nur schwerlich von dieser so einmaligen Stelle trennen…das Glücksgefühl läßt unsere Gedanken schwelgen…denn es sind nur noch 3,300m bis zum höchsten Punkt der Welt !
    Was sind schon 3.300 m ?



    ...Blick auf das Basislager...


    Die Fahrt bergab ist kurz. Noch immer sind wir benommen.


    Unten am Ausgangspunkt warten schon der Fahrer und Tashi. Irgendwie sind sie gar nicht glücklich, daß wir so lange dort waren…uns hat ja niemand ein Zeitlimit vorgegeben.
    Unser Ziel heute ist noch bis in die Nähe der Grenze Tibet-Nepal zu kommen.
    Aber was soll’s. Erzählt das Mal zwei von Endorphinen benebelten Personen… ^^


    Unser Fahrer gibt sein Bestes. Nach kurzer Fahrzeit verlassen wir die offizielle Straße, und fahren querfeldein um Kilometer und vor allem Zeit zu sparen. Mehr als 3Stunden fahren wir so über Wiesen, durch Flußbetten,… vorbei an einer grandiosen Landschaft…






    Die erste Reifenpanne ist natürlich nach so einem Trip vorprogrammiert. Noch bevor wir den Friendship Hwy erreichen, ist das Malheur passiert.
    Wir machen Halt in einem Dorf, der Reifen wird gewechselt.
    So eine „Attraktion“ lädt natürlich neugierig die kleinsten Dorfbewohner herbei. Aber wir haben auch unsren Spaß daran sie zu beobachten und ganz nah zu sein am Leben hier, wenn auch nur für eine kurze Zeit…







    Wir nutzen die Gelegenheit und bleiben an einem Dorflokal stehen.
    Die „Spaßbremse“ hier bin alleine ich. Man redet auf mich ein, daß ich etwas essen soll, aber alles gute Zureden hilft nichts. Ich mach‘ hier den sterbenden Schwan und bleibe kraftlos im Auto auf der Rückbank liegen. Ich will nur noch liegen und schlafen …will die Zeit nutzen, im ruhig stehenden Auto neue Kräfte zu sammeln. Ja, ich habe Symptome der Höhenkrankheit!


    Ich weiß nicht mehr wie lange es bis zur 2. Reifenpanne gedauert hat. Die Sonne ist gerade erst untergegangen und in der Dämmerung finden wir eine Werkstatt. Hier greifen wir auf den 2. Ersatzreifen zurück. Jetzt darf sich das nicht noch einmal wiederholen. Leichter gesagt, als getan. Der Friendship Hwy ist hier unbefestigt.
    Wir erreichen eine größere Ortschaft. Hier könnten wir übernachten, müßten aber morgen sehr früh aufstehen, da der Grenzwechsel zu Nepal auf Vormittag terminiert ist.
    Ok, wir ziehen weiter.
    Die Straße ist nur noch eineinhalb-spurig und es ist stockdunkel. Aus der Reisebeschreibung weiß ich, daß sich rechts von uns (die Straße ist ohne Leitplanke) eine über hundert Meter tiefe Schlucht befindet. Teilweise ist die Straße naß und rutschig…manchmal aber auch von herabfallenden Erdklumpen verengt…
    Ich bin froh, daß ich das nicht sehen muß! Tashi kennt offensichtlich die Straße ganz genau, denn er diskutiert unentwegt mit dem Fahrer und ist offensichtlich über seine forsche Fahrweise sauer. Er murmelt die gesamte Zeit seine Gebete… wir dagegen haben es viel besser, wir profitieren noch von den ausgeschütteten Glückshormonen.


    Irgendwann ist diese unendliche Fahrt zu Ende.
    Nach Tagen der extremsten Trockenheit und Hochplateau kommen wir in Zanghmu (Grenzstadt) an…die Luft ist klasse, denn wir sind nur noch bei 2.300m Höhe mit ca. 73% Sauerstoffgehalt !
    Endlich kann man mal richtig Luft holen und es kommt auch noch etwas an.


    Tashi bringt uns in einem Hotel unter, macht dabei aber eine etwas abfällige Bemerkung, daß es in chinesischer Hand ist. Aber uns ist es egal, wir sind fix und fertig. Wir essen noch schnell eine Nudelsuppe zusammen mit Tashi…und dann ??? dann fallen wir in tiefsten komatösen Schlaf, denn der Tag hatte Höhepunkte, die erst einmal verarbeitet werden müssen!


    Es wird in unserem Leben wohl sehr schwer sein, diese Erlebnisse, diesen Tag zu toppen.
    Das hat sich bis zum heutigen Tag im Jahr2012 noch nicht geändert.

  • Super interessant! :thumbup: Ich bin noch dabei und lese mit! Vielen Dank! (:Respekt:)

    "Träume nicht Dein Leben, sondern lebe Deinen Traum!"


    Southwest 1982, 2000, 2007, 2009, 2010, 2016, CA+HI 2018; Midwest 2002; Florida 2011, 2014; Northwest 2012; NYC 2015


    Bei 27 USA-Stammtischtreffen dabei gewesen!

  • Schöner Bericht - soweit bereits gelesen - und natürlich sehr beeindruckende Bilder. Ich find jeder Kontigent ist eine Reise wert, jedes Land bzw. Gegend hat Schönheiten. Du hast uns hier tolle Bilder von Regionen in Asien gezeigt, die wohl die meisten nie kennenlernen werden.



    Gruss


    toto

  • Schöne Bilder! :thumbup:


    ...was ich allerdings nicht so gut finde, wenn man einfach, ohne zu fragen, fremde Leute fotografiert, auch wenn sie noch so malerisch und exotisch aussehen. Ich hoffe Du hast gefragt!?


    Ich stelle mir vor, wenn mich hier in Deutschland Touristen fotografieren, während ich z.B. beim Einkaufen in der Schlange an der Kasse stehe. Ich glaube, da würde ich ausrasten! :D

  • ...was ich allerdings nicht so gut finde, wenn man einfach, ohne zu fragen, fremde Leute fotografiert, auch wenn sie noch so malerisch und exotisch aussehen. Ich hoffe Du hast gefragt!?


    ...wir haben sie nicht nur gefragt, sie haben sogar posiert...außerdem dauert es ziemlich lange ehe ich abdrücke... das mache ich auch nicht aus dem Versteck, dazu ist meine Kamera zu groß :)

  • Allein der Gedanke - was ist wenn ?


    ...jeder Fahrer (also ich gehe davon aus, nur die, die mit Flachlänlern durch die Gegend touren) hat im Auto immer eine Sauerstoffflasche...also eigentlich keine Gefahr :rolleyes:

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