Prolog
Mein Reisebericht könnte eigentlich genau so beginnen wie mein Barcelona-Bericht: ...“eigentlich wollten wir Europa erst als Rentner bereisen, aber...“
Ja wie immer kommt es anders.
Unser Kind Nr.1 hat nicht gerade die schlechteste Krankheit von mir geerbt: den Reisevirus. Und so wohnt und lebt es lieber immer in anderen Teilen der Welt... nur nicht in Berlin. Bevor es wieder den Standort ändert, müssen wir es nutzen... 6Tage Urlaub nehmen und 12Tage bekommen... das kriegt man nur in der Zeit zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten hin.
Unser Ziel ist die Schweiz mit Basislager in Bern.
Schweiz als Reiseland ist uns gänzlich unbekannt und so besorge ich mir eine Straßenkarte und ein dünnes Büchli: ADAC Reisführer plus, in dem die Hauptattraktionen beschrieben werden...und so reisen wir los wie „zwei Frisöre“... so ziemlich unvorbereitet.
Am späten Mittwochnachmittag vor Christi Himmelfahrt starten wir gen Süden. Auf dem Rücksitz Kind Nr.2.
Etappe 1 endet bei Freunden, die südlich von Erfurt wohnen. Hier machen wir nicht nur Boxenstop sondern bekommen noch den einen oder anderen Tipp für die Schweiz.
Am nächsten Morgen geht es ziemlich früh weiter, denn wir befürchten Staus wegen der beginnenden Pfingstferien. Staus gibt es tatsächlich, die sind aber fast ausschließlich auf der Bahn in die entgegengesetzte Richtung.
Schneller als erwartet sind wir an der Grenze und jetzt heißt es nur noch eine Plakette besorgen. Gut ausgeschildert reiht man sich in die entsprechende Reihe an: MIT und OHNE Plakette. Was für eine schöne Überraschung, ALLE haben schon eine Plakette und warten in eine unendlich Schlange...und wir? Wir haben keine, dafür sind wir innerhalb von 5Minuten über die Grenze...dabei dauert die Suche nach der richtigen Stelle für das Anbringen der Plakette am längsten
Obwohl die max. erlaubte Geschwindigkeit auf Schweizer Autobahnen nur 120km/h beträgt, sind wir nach einer Stunde in Bern. Hm. Die Schweiz scheint ja doch nicht sooo groß zu sein. Ich schaue auf meine Karte und denke: na hoffentlich langweilen wir uns nicht in den kommenden 12 angedachten Tage.
Beim Auspacken stellen wir dann fest, daß die Hänger mit Hemden für Rainer zu Hause am Schrank hängen gelassen wurden und Rainer im gesamten Urlaub ein frisches Shirt und das Hemd, das er gerade trägt, zur Verfügung steht. Hm. Hat den Vorteil: nach dem Urlaub haben wir weniger Wäsche zu waschen.
Tag 1
Das Wetter heute, das ist etwas bescheiden... Wir schauen in Kachelmann’s Wetterseite und stellen fest: es gießt in der gesamten Schweiz... nur ganz im Westen besteht die Hoffnung auf etwas freundlicheres Wetter. Ok. Dann geht’s eben heute entlang des Genfer Sees in das 160km entfernte Genf. Die Straßen sind leer und so sind wir in weniger als 1,5Std da.
Hier nieselt es nur. Die Stadt und deren Gebäude haben den Charme der 60erJahre.
Wir fahren als erstes zum UNO-Viertel.
Besichtigungen des Geländes gibt es hier von 10.00 bis 12.00 und von 14.00 bis 16.00Uhr. Es ist 11.55Uhr ...für eine Besichtigung also viel zu spät. Ok, dann also nicht.
Inzwischen hat es aufgehört zu regnen und wir gehen noch etwas spazieren im nahgelegenen Park:
Gegenüber dem UNO-Gelände befindet sich dieser übergroße Stuhl:
„Broken Chair“ steht schon seit 1997 als eindrucksvolles Mahnmal für die Opfer von Landminen direkt vor dem UNO-Hauptgebäude in Genf
Weiter geht‘s. Ohne aus dem Auto zu steigen, verschaffen wir uns den Überblick über die 2. größte Stadt der Schweiz. Das Wetter ist immer noch nicht einladend und so entscheiden wir uns für den Ausblick vom höchsten Punkt Genfs, von der Turmspitze der im 11.Jh. erbaute und immer wieder baulich erweiterte Cathèdrale de St-Pierre.
Daß hier alles in Französisch geschrieben steht, das stört uns überhaupt nicht. Aber daß hier kein Mensch Deutsch spricht... da haben wir so unser Problem. Der Typ am Einlaß schwenkt dann auf schlechtes Englisch um und wir sind froh ein paar Tickets bekommen zu haben.
...hat sich Gaudi hier sein Inspirationen geholt
Von hier oben hat man einen grandiosen Blick. MIT Sonne wäre der wesentlich besser und so würde auch das Wahrzeichen Genfs, die 140m hohe Fontäne „Jet d’Eau“ und den „Lac Léman“ (wir sagen ja Genfer See), besser zur Geltung kommen.
Fazit: Genf wird nicht auf die Liste der Schönsten Orte in der Schweiz kommen, aber es war ok.
Tja, was machen wir noch mit so viel Tag?
Erst einmal müssen wir etwas essen. Doch leider drängt die Parkplatzuhr, denn wir stehen auf einem Parkplatz der nur 2Std. besetzt werden kann. Wir entschließen uns in einer Boulangerie eine Baguette zum Mitnehmen zu kaufen. Tatsächlich kann hier keiner etwas deutsch. Wo sind wir eigentlich? Ich dachte immer die Schweiz hat zwar einen französisch sprechenden und italienisch sprechenden Teil, aber deutsch ist die Hauptsprache. Dem scheint nicht so zu sein.
Ein Glück, daß Bezeichnungen wie Salami & Baguette international sind. Ich grabe noch ein paar Kenntnisse aus der Schule raus und bestelle eine Baguette mit „viande“... was Fleisch heißt.
Wir gucken also auf unsere Straßenkarte und entscheiden uns für einen Abstecher nach Frankreich. Unsere Erfurter Freunde haben uns doch einen Ort mit Anne...irgendwas empfohlen.
Am Grenzübergang gibt es mehr Verkehrs-und Anweisungsschilder als Menschen.
Cool, wir sind in Frankreich.
Ein Ort namens Annemasse wird angezeigt. Ok, in diese Richtung müssen wir. Schon vom Weiten sehe ich nur Industrie und Hochhäuser...das soll doch nicht etwa die Empfehlung sein. Ich schaue auf die Karte und sehe: Annecy... Ja jetzt erinnere ich mich... ja, das war’s. Ok, klingt ja genauso.
Annecy ist ein am See wunderschönes gelegenes Örtchen eingebettet in einer weißen, schneebedeckten Berglandschaft.
...die Sonne traut sich zum ersten Mal raus...
Wow. Hier sind Himmel und Menschen auf der Straße und alle Parkhäuser sind besetzt. Fast alles Autos mit schweizer Kennzeichen...offensichtlich ist die halbe Schweiz unterwegs zum Shopping im Billiglohnland Frankreich.
Etwas planlos fahren wir weiter, entlang der Ostküste des Lac d‘Annecy und entscheiden, mal ganz operativ, den Rückweg nach Bern durch das Mont-Blanc Gebirgsvorland zu nehmen. Eine traumhafte Gegend .Wir fahren die D909 gen Osten.
...wir fahren ganz entspannt und dann sehe ich aus dem Augenwinkel das hier !!!
...Chateau de Menthon...
Bis Flumet ist es auch eine, auf der Karte ausgewiesene, landschaftlich schöne Straße. Doch wie schade! ... vor lauter Staunen vergesse ich zu fotografieren und es gibt hierzu keine Aufnahme...
Wir fahren durch Chamonix-Mont-Blanc und haben diese grandiosen Aussichten.
...je südlicher wir kommen, desto mehr hüllen sich die Bergspitzen in Wolken ein...
Wir überqueren abermals die Grenze in die Schweiz ...
...ist das nicht malerisch ???
...und schauen in dieses Tal, wo sich der Ort Martigny befindet:
Weiter geht’s auf der A9 über Monthey nach Montreux und A12 über Fribourg nach Bern. Ca. 20.30Uhr sind wir zu Hause und texten die Kinder zu, mit all dem Gesehenem und Erlebten. Unser Kinder Nr.1 & Lebenspartner, die schon 1 Jahr dort leben, staunen nicht schlecht was es in nur ca. 2Std Entfernung von Bern, zu sehen gibt.
Ja, heute erst ist der Funke der Begeisterung über das Land auf uns übergesprungen und ich habe unendlich viele Ideen für die nächsten Tage...
Gefahrene Kilometer: 480km