Genau zwischen Washington D.C. und Philadelphia gelegen wird Baltimore bei Reisen an die Ostküste der USA gerne mal übersehen. Dabei lohnt sich ein Besuch, denn Baltimore ist äußerst geschichtsträchtig und bis heute eine der wichtigsten Hafenstädte Amerikas - neben Hampton in Virginia hat Baltimore sogar den größten Außenhandels-Hafen der Ostküste. So wird praktisch jeder Mercedes aus Deutschland über Baltimore in die USA importiert. Für Touristen sind besonders die Attraktionen um den Inner Harbor interessant. Im Folgenden will ich mich genau darauf konzentrieren und Anregungen zur Gestaltung eines Tagesausflugs nach Baltimore geben. (Die Fotos sind gescannte Negative von zwei Besuchen im Jahr 1998, daher die Qualität nicht sooo berauschend.)
Wie andere Metropolen der USA musste auch Baltimore einen Jahrzehnte währenden Niedergang verkraften. Die Hafen- und Industriestadt verlor nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Flucht in die Vorstädte einsetzte, etwa ein Drittel ihrer Bevölkerung und schrumpfte auf nunmehr ca. 620.000 Einwohner. In den 70er Jahren zogen die Stadtväter die Notbremse und erinnerten sich, dass man mit dem seit dem 17. Jahrhundert genutzten Hafenbecken Touristen locken und Geld in den Stadtsäckel fließen lassen könnte. Mittlerweile gilt die Gegend um den Inner Harbor als Paradebeispiel für gelungene Stadtsanierung und Baltimore wird von anderen Citys darum beneidet.
Tatsächlich gruppieren sich um das Hafenbecken des Inner Harbor zahlreiche Attraktionen und wer nur einen Tag Zeit hat, der kann ihn getrost hier verbringen.
Kaum zu verfehlen ist die Glaspyramide des National Aquarium. Aus nächster Nähe lassen sich hier allerlei Haiarten beobachten, in einem anderen Becken tummeln sich (angeblich) 800 Fische um ein künstliches Korallenriff. Die verschiedenen Zonen der Chesapeake Bay lassen sich ebenso studieren wie Vögel und Affen in einem tropischen Regenwald in der Spitze des Gebäudes. Die Eintrittspreise sind dafür gesalzen: $30 kostet das Adult Ticket, Kinder unter 11 Jahren kommen für $21 rein. Unbedingt zu empfehlen ist ein frühes Erscheinen. Die Warteschlangen werden sonst unerträglich lang, gerade am Wochenende.
Gleich neben dem Aquarium ankern mehrere alte Schiffe, allesamt "National Historic Landmarks" - ein Prädikat, das in den USA ja durchaus großzügig vergeben wird. Fans maritimer Historie werden jedenfalls ihre helle Freude haben, etwa an einem U-Boot aus dem Zweiten Weltkrieg, einem Schiff der US Coast Guard (letzter noch schwimmender Überlebender des Angriffs auf Pearl Harbor), einem Leuchtboot oder dem einzigen übrig gebliebenen Marineschiff aus der Zeit des Bürgerkriegs, das immerhin an der Befreiung von 700 Sklaven beteiligt war.
Wenn man schon mal an dem alten Segelschiff steht, könnte man auch gleich den Lift an die Spitze des benachbarten Hochhauses nehmen. Das Gebäude nennt sich etwas großspurig "World Trade Center", bietet aber aus dem 27. Stockwerk einen einmaligen Blick über Stadt und Hafen. Der Spaß kostet $5 (klick).
Danach geht´s weiter durch die benachbarte Shopping Mall. Wen bei Betreten des Gebäudes nicht der Heißhunger überfällt, muss ausgiebig gefrühstückt haben. Man sollte vielleicht nicht gleich dem Chocolate Fudge-Stand am Eingang erliegen, das Zuschauen bei der Herstellung der klebrigen Schokolade reicht allein schon aus, 2 Kilo zuzunehmen. Nein, wer nach Baltimore kommt, MUSS wenigstens einmal die berühmten Blue Crabs probieren! An zahlreichen Restaurants und Ständen gibt es diese Spezialität, die vor allem im Frühherbst aus der Chesapeake Bay (aber auch dem Golf von Mexiko) gefischt wird, frisch serviert. Zu empfehlen ist z.B. das All-You-Can-Eat Buffet bei Phillips. Auf die Schnelle tut es freilich auch ein oder andere Crab Cake.
Weiter geht es um das Hafenbecken herum. Kinder werden fasziniert sein vom Maryland Science Center. Leider ist der Besuch in diesem Wissenschaftsmuseum nicht mehr wie früher kostenlos.
Einen tollen Blick über das bunte Treiben im Hafen und die Skyline der Stadt hat man vom Federal Hill, auf dem die Baltimorer einst die Ratifizierung der Verfassung feierten.
Im Osten hinter dem Museum of Industry schließt sich der moderne Hafen von Baltimore mit seinen Containerterminals an. An der Einfahrt zum Hafen steht schließlich das Fort Henry. Hier fühlte sich Francis Scott Key im Jahre 1814 inspiriert, die Nationalhymne "The Star-Spangled Banner" zu schreiben, als die Festung unter dem Beschuss englischer Kanonen lag. Ein Bus bringt den Besucher vom Fort Henry zurück an den Inner Harbor.
Wer nun nicht mehr laufen kann, sollte in eines der wuseligen Water Taxis umsteigen, mit denen man für ein paar Dollars praktisch jeden Punkt entlang der Waterfront bequem erreichen kann.
Jetzt Lust auf ein paar Krebsbeine? Falls der Sinn eher nach Ribs oder Burgern steht, kein Problem: im alten Gaskraftwerk neben dem Aqaurium befindet sich das Hard Rock Café. Der riesige Barnes & Noble im gleichen Gebäude dient der Versorgung mit Reiseliteratur.
Unittelbar in Hafennähe liegen weitere touristisch interessante Stadtteile, Little Italy und - etwas weiter östlich - Fell's Point. Natürlich gibt es in Little Italy zahlreiche italienische Restaurants. Außerdem kann man hier das Haus besuchen, in dem die Frau wohnte, die das erste Sternenbanner für die damals 13 Vereinigten Staaten nähte (Star-Spangled Banner Flag House). Das Original hängt allerdings einige Meilen weiter im Museum of National History in Washington D.C. In den Kopfsteinpflasterstraßen von Fell´s Point lässt sich noch etwas von der früheren Atmosphäre der Hafenstadt erahnen. Aus dem heruntergekommenen Arbeiterstadtteil wurde in den letzten Jahren ein beliebtes Restaurant- und Kneipenviertel.
Westlich des Inner Harbor liegt der Sportkomplex Camden Yards. Auf dem ehemaligen Schlachthofgelände wurden mit einem guten Schuss Steuergelder ein modernes Football-Stadion (die Baltimore Ravens tragen hier ihre NFL-Heimspiele aus) und eine Baseball-Arena (für die traditionsreichen Orioles) errichtet. Vor und nach den Spielen brodelt die Kneipenszene um den Hafen natürlich besonders...
Abseits der Hafengegend wirkt Baltimore etwas trist und mitunter fühlt man sich auch nicht ganz wohl auf der Straße. Nichtsdestotrotz lohnt es sich, z.B. die Gegend um den Mount Vernon Square im Norden der Innenstadt zu besuchen. Eine durchaus angenehme innerstädtische Wohngegend mit zahlreichen Buchläden und Antiquariaten. Auf dem Mount Vernon Square selbst thront das 60m hohe Washington Monument, errichtet vom gleichen Baumeister wie das gleichnamige Denkmal in der Hauptstadt. Über 228 Stufen gelangt man an die Spitze des Turmes und kann den Ausblick genießen - für eine Spende von $1.
Geht man die Charles St. wieder bergab und biegt bei der Fayette St. rechts ab, erreicht man die Markthalle des Lexington Market mit seinem bunten Spektakel der Händler. An mehreren Ständen kann man die Produkte gleich probieren. Frischer geht´s nicht.
Baltimore nennt sich allen Ernstes "The City That Reads" - und das nicht umsonst. Immerhin gilt es das Erbe des größten Sohnes der Stadt aufrecht zu erhalten: Edgar Allan Poe. Natürlich kann man sich in der Stadt auf seine Spuren machen, das Grab etwa befindet sich in einer düsteren Gegend westlich der Innenstadt. Beim Baltimore Area Visitors Center kann man sich organisierten Führungen zum Thema Poe anschließen.
Anreise:
Baltimore verfügt über einen internationalen Flughafen (BWI - Baltimore Washington International), etwa 15km südlich der Stadt. Von Deutschland aus wird BWI seit diesem Sommer von Condor nonstop aus Frankfurt angeflogen. Sehr gute Verbindungen bietet US Airways von Philadelphia aus.
Mit dem Auto braucht man von Washington ca. 45 Minuten nach Baltimore, ebenso lang dauert die Fahrt mit Bus oder Bahn.
Nahverkehrszüge von Washington, die auch am Flughafen BWI halten, enden direkt an den Camden Yards und verkehren mindestens jede Stunde. Die Greyhound-Busstation befindet sich inmitten der City, etwa 10 Minuten vom Hafen entfernt.
Hilfreiche Links:
Visit Baltimore - ALLE Infos, die man als Besucher braucht
Baltimore bei Wikipedia
BWI Airport
Condor - Pressemeldung zum neuen Service FRA-BWI