Es ist interessant zu sehen, dass nun, nachdem der letzte AB-Flug gelandet ist, diverse Theorien bis hin zur Verschwörung (Politik & LH) durchgespielt werden. Nachdem ja auch hier oft über AB geschimpft wurde, ist es glaube ich nur menschlich, dass nun nach dem "Ableben" AB als super Airline gesehen wird.
Ich fliege seit zehn Jahren immer über den Jahreswechsel nach Mallorca mit AB. Und das aus zwei Gründen: 1) war AB die einzige Airline mit für uns perfekten Abflugzeiten und 2.) waren die meist sogar etwas günstiger als andere AL (aber alles andere als Billigflieger, wir haben immer mehrere hundert € gezahlt). Und über die Jahre hat man so seine Eindrücke gesammelt. Von normalem Sitzabstand mit kostenlosen alkoholfreien Getränken und Auswahl von zweierlei Sandwiches bis hin zu kostenpflichtigem Wasser, das sogar teurer war als auf dem Flughafen und einem Sitzabstand, der es einem unmöglich machte beim aufstehen die Knie durchzudrücken. (Es geht bei der Betrachtung um die Entwicklung, nicht darum, ob ich zwei Stunden ohne feste Nahrung auskomme.)
Dass die LH nun einen CEO dort strategisch platziert hatte und die LH seit 2016 Geschäfte mit dem Gesellschafter der AB macht als Grund der Insolvenz festzumachen, ignoriert mE die Probleme der AB. Man kann es so sehen, aber die Fakten sind für jeden nachzulesen. By the way: ich habe auch nicht Aviationmanagement studiert.
AB war seit dem Börsengang 2006 nicht rentabel. Obwohl man ja nun eine englische Rechtsform gewählt hatte, um Mitbestimmung auszuschließen, musste man 2007 trotzdem einen Tarifvertrag mit ver.di und Cockpit abschließen. So hatte man wahrscheinlich höhere Personalkosten an der Backe als geplant. Hinzu kamen dann strategische Entscheidungen, die man wohl als zumindest unglücklich bezeichnen könnte.
2011 musste Mitgründer Hunold, damals CEO, aufgrund anhaltender Verlust abdanken. Und diese müssen massiv gewesen sein, denn nun ging es Schlag auf Schlag. Neuausrichtung, weg vom Kampf gegen Billigflieger, Streichung von Flügen und Partnerschaften, Aufgabe von Drehkreuzen.
Kurz und nicht vollständig chronologisch: Ende 2011 Einstieg von Etihad bringt 73 Mio. € in die Kasse. Ende 2012 Verkauf des Vielfliegerprogramms TopBonus an Ethiad bringt 184 Mio € in Kasse. Anfang 2013 wurde der Abbau von 900 Arbeitsplätzen und der Gehaltsverzicht von 5% der restlichen Mitarbeiter bekannt gegeben. In 2013 wurden bis auf 10 Maschinen alle Flugzeuge geleast, meist durch sale-and-lease-back. Trotz alle dieser Maßnahmen wurde 2013 ein Verlust von 315 Mio. € erzielt. In 2014 wurden von 40 Flugzeugbestellungen 33 storniert. In 2016 Umstellung der Flotte komplett auf Airbus A-320, was 500 Mitarbeitern bei AB-Technik den Job kostete. Seit Juli 2016 besaß AB kein einziges Flugzeug mehr.
Verlust 2013: 315 Mio/ Verlust 2015: 307 Mio/ Verlust 2016: 607 Mio. €. Bis Ende 2016 wurden 1,1 Mrd. € Schulden angehäuft. Dass Etihad dann irgendwann die Reißleine zieht kann man wohl verstehen bzw. dass dahinter nicht Geschäfter´l in 2016 mit LH standen. Ethiad musste nämlich selber in die Tasche greifen, hatte z.B. den Verlust 2013 durch Wandelanleihen gedeckt.
Beim Thema Kundefreundlichkeit: Ende 2012 hatte AB 65.000 unbearbeitete Kundenanfragen, Ende 2013 sollen es immer noch 30.000 gewesen sein. Es wurde berichtet, das Kundenanfragen (Bezeichnung für Reklamationen und Beschwerden) oft sogar unerledigt geschlossen wurden oder mit pauschale Abfindungen (75 € oder 120 €-Fluggutschein oder 10.000 Punkte bei TopBonus) beantwortete. Dies erhöht nach Meinung von Experten nicht die Kundenbindung.
Dass AB seit dem 15.08.2017 überhaupt weiterfliegen konnte verdankt sie einem durch Bundesbürgschaften (!) abgesicherten Kredit von 150 Mio. € (wogegen sich Ryan Air erfolglos bei der EU beschwerte).
Der Absturz von AB war also absehbar und nicht das Ergebnis von Verschwörungen von Bundesregierung und LH, weil AB zu stark und mächtig geworden war. Wenn man bedenkt, dass Winkelmann im Februar 2017 erst gerufen wurde und zu diesem Zeitpunkt die Schulden wohl schon bei 1,3 Mrd.€ standen (operatives Ergebnis 1. Quartal 2017: - 272 Mio. €), ist es wohl doch nahe an der Verschwörungstheorie wenn man behauptet, LH habe diesen "installiert" um AB fertig zu machen. Das schafft wohl auch kein LH-Manager in sechs Monaten ein florierendes Unternehmen in die Insolvenz zu zwingen.
Übrigens haben vier Airlines für die AB-Überbleibsel geboten. Zum Zuge kamen LH und easy-Jet - und ich vermute mal dass dies nicht der Fall war, weil diese weniger als die anderen beiden geboten haben.
Nicht böse sein, wollte nur mal kurz die derzeit verfügbaren Fakten in den Ring werfen, damit man auf dieser Grundlage weiterdiskutieren kann. 