Abzocke an der Kasse: Garantieverlängerungen im Elektromarkt meist unnötig
ZitatAlles anzeigenMit Geräteversicherungen oder Zusatz-Garantien im Elektromarkt verdienen vor allem Händler und Versicherer. Für Kunden bringen Sie meist nichts, warnt unser Experte.
Wer heute im Elektrofachhandel oder online ein neues Smartphone, Notebook oder einen Fernseher kauft, wird an der Kasse oft noch einmal „abkassiert“ – und zwar mit einer Geräteversicherung oder Garantieverlängerung.
Im Markt suggeriert man uns, dass wir ohne Zusatzschutz den Totalverlust riskieren. Doch in den meisten Fällen schützen diese Policen nicht den Kunden, sondern vor allem die Margen von Handel und Versicherern. Die Verbraucherzentrale Hamburg zum Beispiel spricht mittlerweile offen von „überflüssigen“ oder sogar „unsinnigen“ Versicherungen.
Für Elektromärkte sind Geräteversicherungen ein Milliardengeschäft im Hintergrund. MediaMarkt und Saturn haben ihre exklusive Partnerschaft mit dem Versicherer Zurich Gruppe Deutschland bis mindestens 2035 verlängert. Die Kooperation umfasst Garantieverlängerungen und „PlusSchutz“-Produkte für Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte.
Wie stark sich das Geschäft lohnt, zeigte eine Auswertung von Stiftung Warentest zu Zusatzversicherungen für Elektrogeräte. Demnach können solche Arten der Garantieergänzungen bis zu 35 Prozent des Kaufpreises kosten. Wer also einen Fernseher für 1.000 Euro kauft, kann zusätzlich 200 bis 300 Euro für eine Police hinlegen, ohne sicher zu sein, dass im Ernstfall wirklich gezahlt wird.
Bei Smartphones rechnet Finanztip vor, dass eine Handyversicherung für ein Telefon im Wert von 1.000 Euro oft rund 100 Euro pro Jahr kostet. Zusätzlich fällt im Schadenfall häufig eine Selbstbeteiligung von etwa zehn Prozent des Kaufpreises an.
Über eine Laufzeit von zwei bis drei Jahren kommen so schnell 250 bis 300 Euro zusammen und das für ein Gerät, dessen Marktwert im gleichen Zeitraum drastisch fällt. Gerade Handyversicherungen führen deswegen der Bund der Versicherten (BdV) und andere Experten mittlerweile auf Listen der „unsinnigsten Versicherungen“.
Wie absurd das werden kann, zeigt ein Fall aus der Verbraucherzentrale Hamburg: Ein Kunde zahlte über neun Jahre mehr als 800 Euro an Prämien für eine Geräteversicherung einer Waschmaschine, die ursprünglich 199 Euro gekostet hatte. Die Verbraucherzentrale Hamburg fasste ihre Einschätzung in einer klaren Warnung zusammen:
„Die meisten Geräteversicherungen sind teuer und überflüssig. Die Verbraucherzentrale rät von einem Abschluss ab.“
Der BdV wird noch deutlicher. In einer Stellungnahme zu Elektrogeräte-Versicherungen spricht BdV-Pressesprecherin Bianca Boss davon, dass solche Policen „allenfalls findige Geschäftsideen“ seien, die vor allem Versicherern und Händlern Zusatzeinnahmen bescheren.
Ein weiteres Problem liegt bei den Versicherungsbedingungen. Viele Geräteversicherungen ersetzen nicht den Kaufpreis, sondern lediglich den „Zeitwert“, also nur das, was das Gerät zum Schadenzeitpunkt noch wert ist. Bei Smartphones sinkt dieser Wert besonders schnell. So erhalten Kunden trotz teurer Police im Schadenfall oft nur einen Bruchteil des ursprünglichen Kaufpreises.
Nicht selten kommt noch eine lange Mindestlaufzeit hinzu, teilweise zwei oder drei Jahre. Dank neuer Regeln für fairere Verträge ist es zwar inzwischen einfacher, solche Dauerschuldverhältnisse nach dem ersten Jahr zu kündigen – aber wer behält das schon im Auge?
Ein Blick auf die Zahlen wiederum zeigt, wie sehr sich die Zusatzversicherungen für die Händler lohnen. So kostet ein 1.000-Euro-Laptop für eine Geräteversicherung im Markt oft rund 250 Euro. Studien zu Extended-Warranty-Produkten weisen darauf hin, dass Händler und Versicherer dabei Profitmargen zwischen 50 und 70 Prozent erzielen. Das bedeutet: Von den 250 Euro bleiben im Durchschnitt 150 bis 175 Euro reiner Gewinn. Das sind deutlich mehr, als viele Händler überhaupt beim Verkauf des Geräts selbst verdienen.
Wenn also nur jeder fünfte Kunde eine solche Police abschließt, generieren 100 Laptop-Käufe bereits rund 3.000 Euro Zusatzgewinn, ohne dass der Händler auch nur ein einziges Gerät mehr verkaufen muss. Genau deshalb sprechen Verbraucherschützer seit Jahren von einem „extrem lukrativen Nebenverdienst“ der Branche.
Doch warum werden Geräteversicherungen dann trotzdem massenhaft gekauft? Zur Unkenntnis der Verbraucher kommt noch hinzu, dass die Kaufsituation perfekt orchestriert ist. Kunden haben gerade eine hohe Summe ausgegeben und sind emotional gebunden. In diesem Moment erzeugt der Satz „Stellen Sie sich vor, das Gerät fällt Ihnen morgen herunter, dann ist alles weg“ maximalen, emotionalen Druck.
Gleichzeitig wird die Prämie durch einen klassischen Rahmungseffekt klein gemacht: Statt „Rund 250 Euro in drei Jahren“ hört der Kunde „nur 6,95 Euro im Monat“. So werden Kosten verniedlicht.
Für die Händler sind diese Produkte so interessant, dass sie den Vertrieb mit exklusiven Partnerschaften, Schulungen und strengen Verkaufszielen organisieren. Verkäufer werden geschult, diese Zusatzversicherungen aktiv zu verkaufen. Die eigentliche Ware bringt kaum noch die Hauptmarge.
Es wäre unseriös zu behaupten, dass sich Geräteversicherungen ausnahmslos nie lohnen. Unter bestimmten Bedingungen können solche Versicherungen sinnvoll sein. So zum Beispiel, wenn das Gerät extrem teuer ist und der Totalausfall für den Haushalt oder die Selbstständigkeit wirklich schmerzhaft wäre. Ebenso kann es sich rechnen für das Handy des Kindes, das neigt es schnell fallen zu lassen. Auch wenn Sie viel reisen, also ein Verlust wahrscheinlicher ist, kann eine Geräteversicherung womöglich Sinn ergeben.
In den meisten Fällen ist aber die gesetzliche Gewährleistung von zwei Jahren bereits völlig ausreichend: Ist ein Artikel nachweislich fehlerhaft, muss der Verkäufer den Mangel beheben, also das Gerät reparieren oder austauschen.
Eine sinnvolle Methode ist es, seine "eigene Versicherung" zu starten. Für jedes teure Gerät zahlen Sie, statt dem Versicherer, lieber die Versicherungsgebühr auf Ihr eigenes Sparkonto. Sie werden sehen, dass Sie so meist besser fahren und schließlich nebenbei genügend Geld angespart haben werden. Damit können Sie sich dann ein neues Gerät leisten, ohne dass der Schadensfall eingetreten sein muss.
Andererseits: Wer ist schon so diszipliniert und macht das konsequent? Letztlich ist es auch die mangelnde Spardisziplin vieler Kunden, mit der Elektrohändler und Versicherer ihr Geld verdienen.