Route Industriekultur

  • Besucherbergwerk "Schacht 3" Sophia-Jacoba



    Wieder mal was außerhalb des Ruhrpotts:


    Das Besucherbergwerk "Schacht 3" Sophia-Jacoba liegt in Hückelhoven nahe der holländischen Grenze unweit von Mönchengladbach und ist inzwischen ein Industriedenkmal.


    In dieser Region wurde bis 1997 qualitativ sehr gute Anthrazit-Kohle gefördert; nach der Stilllegung konnte nur durch eine Eigeninitiative der komplette Abriss verhindert werden; ein Förderverein hat in den letzten Jahren die Überreste restauriert und ein Museum bzw. Besucherbergwerk eingerichtet – den überirdisch angelegten Barbarastollen.


    Dies alles wurde ohne finanzielle Unterstützung von außen erreicht und der Verein unterhält sich auch weiterhin nur durch den Erlös von Verkäufen auch bei regelmäßig durchgeführten Flohmärkten und anderen Veranstaltungen auf dem Gelände – und natürlich die unendgeldliche Arbeit vieler Helfer. Den Grundstock für die Renovierung erhielt man dadurch, dass man alles, was man entbehren konnte an Material und Erinnerungsstücken, verkauft hat.


    Homepage des Fördervereins



    Der Schacht 3 des ehemaligen Bergwerks




    An bestimmten Sonntagen im Jahr ist Tag der offenen Tür – dann werden auch Führungen von etwa 90 Minuten angeboten.



    Die Führung wurde durchgeführt von einem ehemaligen Bergmann und Betriebsratsvorsitzenden von Sophia-Jacoba, der neben sehr interessanten Fakten auch einige unterhaltsame Geschichten auf Lager hatte.



    Hier steht er vor dem eigenständig unter Denkmal stehenden Lokomobil – sozusagen ein Denkmal am Denkmal.



    Bergwerkslokomotiven neueren Datums



    Abteufanlage



    Die Maschinenhalle, jetzt Ausstellungs-, Verkaufs- und Gastronomieraum




    Der sechsstöckige Förderkorb, bei dem immer 3 Stockwerke gleichzeitig befüllt werden konnten – mit Menschen oder Material bzw. Kohle/Abraum.




    Der letzte Wagen mit der letzten Kohle



    Im Jahr 2007 wurde ein Besucherbergwerk, der Barbarastollen, eingeweiht.


    Zu diesem Zweck hat man einen Lehrstreb, in dem jahrelang Bergleute ausgebildet wurden, "ausgeraubt" und so detailgetreu wie möglich überirdisch wieder aufgebaut.



    Die Bilder vermitteln einen Eindruck von dem, was ich bei meinem Besuch in 1000m Tiefe auf Prosper Haniel erlebt habe, dort aber keine Bilder machen konnte.


    So sehen die Gänge dort unten aus – und es ist auch so "hell".



    Eine Einbahnschwebebahn zum Transport von allem möglichen.



    Eine Abbauanlage, die uns auch fachmännisch erklärt wurde.




    Wer wollte durfte mit Helm auch mal durch diesen Arbeitsbereich eines Bergmanns gehen – dabei war es noch "bequeme" 120 cm hoch – normal waren dort 60 – 80 cm hohe Flöze.



    Weitere Eindrücke





    An diese Wasserbehälter kann ich mich auch noch gut erinnern, sie sollen bei einer Explosion das Feuer auf einen Bereich begrenzen, da sie sofort jede Menge Wasser verteilen.



    Ich fand die Führung sehr interessant und habe gerne den Ausführungen und Geschichten gelauscht. Unter anderem der Story, dass die Errichtung eines eigenen Kraftwerks in der Nähe zur Verstromung der guten Anthrazit-Kohle (die nicht gut für andere Kraftwerke aber gut zur Hausbefeuerung geeignet war) an dem Veto der Nato-Staaten (hatten einen Flugplatz in der Nähe) wegen eines zu hohen Kamins gescheitert ist.

  • Hallo Otto,


    vielen Dank für Deine sehr interessanten Informationen und tollen Bilder über diesen oft vernachlässigten Teil unserer Geschichte und Kultur.
    Ich merke, dass ich doch mal diese Gegend Deutschlands näher erkunden muss (ich schäme mich etwas :( ).


    Viele Grüße


    Albert

  • Danke! :winken:


    Als gebührtiger Niederrheiner erkunde ich ja in erster Linie diese Gegend (s. Niederrhein-Thread).
    Aber das Ruhrgebiet ist nah, der Bergbau auch - nämlich das Bergwerk West, was in diesen Tagen schließt, liegt im Nachbarort und da ist mein Großvater eingefahren. Ich bewohne sein 1930 gebautes "Bergmannhaus" - und so ist das Interesse erklärbar.


    Aber mich interessieren auch andere Gegenden meiner Heimat - wenn man schon nicht in die USA kommt. :zwinker:

  • Heute mal keine Bilder sondern nur eine Meldung:


    Letztes "Glück auf" fürs Bergwerk West


    Es ist ja nicht so, dass ich deshalb wehmütig werde - zumal ich in den letzten Tagen mal wieder neue, kleinere Bergschäden an meinem Haus entdeckt habe. 8|


    Aber auch wenn der Bergbau subventioniert wurde, halte ich den kompletten Austieg Deutschlands aus der Förderung für total falsch.
    Scheiß Globalisierung! :thumbdown:


    Naja - und mein Großvater ist da schließlich eingefahren; dadurch kommt evtl. auch mein Interesse an der Route Industriekultur.

  • Letztes "Glück auf" fürs Bergwerk West


    da geht wieder ein Stück Ruhrpott und in den nächsten Jahren werden Stahlunternehmen folgen

    Es ist ja nicht so, dass ich deshalb wehmütig werde - zumal ich in den letzten Tagen mal wieder neue, kleinere Bergschäden an meinem Haus entdeckt habe.


    die müssen nicht weniger werden, ganz im Gegenteil

    Aber auch wenn der Bergbau subventioniert wurde, halte ich den kompletten Austieg Deutschlands aus der Förderung für total falsch.
    Scheiß Globalisierung!


    wie wollen wir Bergbautechnik auf hohem Niveau entwickeln, wenn wir keine Bergwerke mehr betreiben???

  • Hi Otto, die Fahne auf dem vorletzten Bild aus Lünen hättes du mehr zur Geltung bringen können. :D


    Gruß Kalle :D

  • Mal einen Fernsehtipp - ich habe gerade in Quarks & Co reingezappt und da war ein Bericht über das Zechensterben im allgemeinen und das Bergwerk West in Kamp-Lintfort im Besonderen.
    Die Sendung war gut und wird am Samstag wiederholt:


    "Schicht im Schacht" Samstag, 19. Januar 2013, 12.00 - 12.45 Uhr WDR 3


    Zitat

    Ein Bergwerk wird geschlossen
    100 Jahre wurde im Bergwerk West in Kamp-Lintfort Kohle gefördert. Jetzt ist Schluss - das Bergwerk West wird geschlossen! Quarks & Co begleitet die Kumpels bei ihrer letzten Förderschicht und bei der Abwicklung ihres Bergwerks; Ranga Yogeshwar betrachtet dabei auch die Geschichte und die Entwicklung des Ruhrgebiets und wagt einen Blick in die Zukunft der ehemaligen Industrieregion.


    Oder Live im Web:
    Link

  • Wieder mal etwas, was nicht im Ruhrgebiet liegt:


    Das LVR Industriemuseum in Euskirchen hat neben einem kleinen Museum zum Thema Tuchindustrie vor allem einen Rundgang durch die komplett erhaltene "Tuchfabrik Müller" (geschlossen 1963) zu bieten. Die Anfänge dieser Tuchfabrik liegen im 18ten Jahrhundert; der letzte Besitzer war in den 60iger Jahren nicht mehr konkurrenzfähig, hat die Fabrik aber nur "abgeschlossen" und nicht demontiert. 1988 hat er letztendlich die gesamte Fabrik dem LVR überlassen.


    Diese historische Tuchfabrik kann bei einem Rundgang im Rahmen einer Führung besichtigt werden und es werden so einige noch funktionstüchtige Maschinen zum Ablauf der Tuscherstellung vorgeführt – von der Behandlung der Wolle, über das Erstellen eines Fadens bis zum Weben des Tuchs. Der Eintritt betrug 2010 7 € (die Führung inbegriffen) – mit der RuhrTopCard kostete es keinen Eintritt.



    Das Museum



    Kleine Ausstellung zum Thema Tuchstoff




    Das Museumsgästehaus Mottenburg



    Die Tuchfabrik Müller – gegründet von Ludwig Müller und fortgeführt von seinem Sohn Kurt, der nach der Schließung 1963 die Hoffnung nicht aufgab, die Fabrik wieder eröffnen zu können.


    Kontor und Wohnhaus



    Der Innenhof mit dem Fabrikgebäude


    Sanitäre Anlagen




    Der Rundgang durch die Fabrik war sehr interessant und sehenswert. Ich war mal wieder sehr früh da und bekam eine Führung für mich ganz alleine.


    Der Rundgang brachte auch zu Tage, warum die Fabrik nicht mehr konkurrenzfähig war. Durch das historische Wachsen waren die einzelnen Stationen der Arbeitsabläufe (und wie ich gelernt habe, gibt es davon zur Tucherstellung so einige) nicht direkt hintereinander im Gebäude angeordnet und mussten mühsam und zeitaufwendig durch das Gebäude transportiert werden. Ich habe die Bilder mal ein wenig nach den Abläufen geordnet. Wenn ihr mehr dazu wissen wollt – besucht die Führung.




    Angeliefert wurde die Wolle in großen Ballen – wegen der besseren Qualität aus dem Ausland wie beispielsweise Neuseeland.



    Die Wolle wurde mehrfach bearbeitet (gekratzt) und dabei durch diese Maschine gejagt, um nach jedem Durchgang als Flocken wieder zur Erde zu fallen (erinnerte sehr an Frau Holle).





    Die Wolle wurde gefärbt (dies gab eine intensivere Färbung als die Färbung des Tuches, was aber auch gemacht wurde) und gewaschen.




    Aus der Wolle wurde in einer langen Maschinenstraße ein Art Fleece erstellt.









    Aus diesem konnte ein Faden gesponnen und aufgewickelt werden – in diesen großen Maschinen teilweise über 350 mal gleichzeitig.





    Aus den Fäden wurden dann Rollen für die Webstühle vorbereitet.





    Das Weben in großen und lärmintensiven Webstühlen.







    Das Vorbereiten und Bestücken der Webstühle, bis diese mit ihrer eigentlichen Arbeit beginnen konnten, dauerte manchmal bis zu 2 Tage Handarbeit. Hier wurde deutlich, dass die Fabrik in den 60iger Jahren gegenüber modernen Anlagen nicht mehr konkurrieren konnte.



    Das Tuch wurde in diversen Maschinen dann noch nachbearbeitet, unter anderem musste es einlaufen und wurde gekämmt.






    Jetzt erst konnte das Tuch zu diversen Kleidungsstücken verarbeitet werden.



    Am Ende der Führung durfte ich noch einen Blick ins Maschinenhaus werfen. Die Dampfmaschine trieb durch eine große Kurbel sämtliche Maschinen der Fabrik an.
    Unterstützt wurde sie manchmal durch die Wasserkraft des nahen Baches.




    Mir hat die Führung sehr gut gefallen und ich habe immens viel über das Erstellen eines Tuchstoffes (so wie es früher gemacht wurde) gelernt.

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