Geschichte der Deutschen in Amerika
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Brandenburger Tor in New York: Warum die US-Metropole am Wochenende zu Berlin wurde
ZitatBlasmusik und Hefeweizen, Fernsehturm und Nationalhymne: Am Wochenende fuhren Dutzende Festwagen durch Manhattan, um die deutsche Kultur zu würdigen.
Wer als deutscher Tourist durchs New Yorker East Village spaziert, der staunt nicht schlecht. Wegen der schönen Nachbarschaft an sich natürlich sowieso, aber auch, weil sich das Viertel in Manhattan hier und da fast heimisch anfühlt: „Deutsch-Amerikanische Schützengesellschaft“ steht etwa an einem Backsteingebäude unweit des Saint Marks Place – ein Überbleibsel aus der Zeit, als das East Village für viele noch „Kleindeutschland“ war.
Ende des 19. Jahrhunderts waren rund 30 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner des Viertels deutschstämmig; noch heute leben zahlreiche Menschen in New York, die deutsche Nachnamen tragen – in den gesamten USA haben rund 45 Millionen Menschen deutsche Wurzeln. Eine Kulturgeschichte, an die auch die jährliche Steuben-Parade erinnern soll. Am Wochenende zog sie wieder durch Manhattan, untermalt von Blasmusik und Nationalhymne.
Es war der 66. Umzug dieser Art, der sich am Samstag die 5th Avenue hinunterschob. Zahlreiche New Yorker Vereine nahmen daran teil – Trachtengruppen und Schützenvereine zum Beispiel. Dementsprechend sieht die Parade, wie unsere Galerie zeigt, ein bisschen nach bayerischer Gaudi aus (passenderweise schlossen sich am Samstag und Sonntag zahlreiche Oktoberfeste in New York und New Jersey an den Umzug an).
Aber auch für Restdeutschland wird in der New Yorker Steuben-Parade Platz geschaffen: So war in diesem Jahr ein VW-Käfer im historischen Design der rheinland-pfälzischen Polizei zu sehen; in Form von Pappmaché-Nachbauten auf einem Festwagen durften natürlich auch Brandenburger Tor und Fernsehturm nicht fehlen.
1957 war die jährliche Veranstaltung ins Leben gerufen worden. Wollten früher vor allem deutschstämmige New Yorkerinnen und New Yorker mit der Parade ihre Kultur feiern, steht heute auch die Deutsch-Amerikanische Freundschaft im Fokus. Benannt ist die Feier nach Freiherr Friedrich Wilhelm von Steuben (1730–1794), einem hochdekorierten preußischen Offizier, der in den USA eine zweite Militärkarriere gemacht hatte und am Sieg der 13 Kolonien im Unabhängigkeitskrieg beteiligt war.
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13 Familien aus Krefeld machten den Anfang – Wie Deutsche Amerika prägten
ZitatAlljährlich feiern die Amerikaner mit dem „German American Day“ am 6. Oktober den Gründungstag der ersten deutschen Siedlung in der Neuen Welt. Sie würdigen damit den deutschen Beitrag zur US-Kultur, der vielfältig war und bis heute spürbar ist.
Glaube versetzt Berge – und er kann Menschen veranlassen, eine lebensgefährliche Reise über den Ozean zu wagen, um auf einem anderen Kontinent ein neues Leben zu beginnen. Ein Beispiel dafür ist eine kleinere Gruppe deutscher Auswanderer, die im Jahr 1683 in der Neuen Welt ankam, und deren Erbe die USA bis heute prägt.
13 Familien aus Krefeld und dem heutigen Meerbusch, die niederländische und Schweizer Wurzeln hatten, ließen sich am 6. Oktober 1683 nach fast dreimonatiger Überfahrt in der damals britischen Kolonie Pennsylvania nieder. Sie gründeten die erste deutsche Siedlung in Nordamerika und nannten sie Deitscheschteddel, also „Deutschenstädtlein“. Englischer Name: Germantown. Es handelte sich um Mennoniten, Anhänger einer täuferisch-protestantischen Glaubensrichtung, die sie damals in Nordamerika freier leben konnten als in Europa.
Der Namensgeber von Pennsylvania war ein gläubiger Quäker aus England namens William Penn, der nahe des Eriesees ein großes Gebiet besaß und dieses zu einem Zufluchtsort für Glaubensgemeinschaften machte, die in Europa verfolgt wurden. Darauf wurde Franz-Daniel Pastorius aufmerksam, ein Jurist und Prediger, der im August 1683 aus Frankfurt am Main in Amerika eintraf.
Auf seiner Reise in die Neue Welt hatte Pastorius in Krefeld Halt gemacht und die Mennoniten für sein Projekt einer deutschen, am Glauben orientierten Siedlung in Pennsylvania gewinnen können. Eine Entscheidung, die viele der Auswanderer bald bereuten, denn zu Beginn kam Germantown wirtschaftlich kaum in Schwung. Es fehlte an Fachkräften und Material, um das Land urbar und ertragreich zu machen, sodass die Siedlung bald den hämischen Beinamen „Armen-Town“ weghatte.
Doch die Siedler blieben standhaft, auch was ihre christlichen Werte betraf: 1688 verfassten vier Bewohner von Germantown den ersten Protest gegen die Sklaverei in Amerika. Nach und nach besserte sich die wirtschaftliche Lage, 1690 gründete Wilhelm Rettinghaus (später amerikanisiert als William Rittenhouse) eine Papiermühle. 1691 erhielt Germantown von der englischen Krone das Stadtrecht.
Ab Anfang des 18. Jahrhunderts ließen sich rund 100 pfälzische Familien in Germantown nieder. Bei diesen Siedlern handelte es sich um Amische – eine Glaubensgemeinschaft, die sich von den Mennoniten abgespalten hatte. Die „Amische alter Ordnung“, die bis heute eine Art Pfälzer Dialekt sprechen, zogen aufs Land nach Lancaster County, wo sie noch immer nach den Regeln des Neuen Testaments leben: mit strengen Kleidervorschriften und genau geregelter Sozialordnung. Ihr Glauben verbietet vielen Amischen den Besitz von Fahrrädern und Autos, stattdessen verwenden sie Pferdekutschen.
Die deutschen Siedler und ihre Nachkommen prägten das Land politisch zwar weniger als die britische Kolonialmacht, hatten kulturell jedoch einen signifikanten Einfluss. Zudem hinterließen die Einwanderer landwirtschaftlich, aber auch während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert große Spuren. Sie beeinflussten die Besiedelung im Mittleren Westen und prägten etwa Stahlstädte wie Pittsburgh.
Historiker haben recherchiert, dass im Bürgerkrieg ab 1861 23,4 Prozent der Unionsarmee deutschen Ursprungs waren, konkret 516.000 Männer, davon waren 210.000 in Deutschland geboren. Mehr als 80 Prozent der deutschstämmigen US-Bürger optierten für den Norden. Damit waren sie die größte Ethnie, die gegen die Sklavenhalterstaaten Position bezog, was seine historischen Wurzeln in der Protestnote von 1688 hatte.
Zuvor hatten Deutsche bereits den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg beeinflusst, hier allerdings auf beiden Seiten: So reorganisierte der Preuße Friedrich Wilhelm von Steuben erfolgreich die kontinentale Armee, während hessische Soldaten an der Seite der britischen Kolonialmacht in den Krieg zogen. Am 4. Oktober 1777 fand bei Germantown eine der bekanntesten Schlachten des Unabhängigkeitskriegs statt.
Mit dem „German American Day“ würdigen die US-Bürger am 6. Oktober alljährlich den Beitrag der deutschen Einwanderer. Dieser Deutsch-Amerikanische Tag geht bis ins 19. Jahrhundert zurück, erstmals wurde er 1883 zum 200. Jahrestag der Gründung von Germantown begangen.
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde der Feiertag abgeschafft, erst US-Präsident Ronald Reagan ließ die Tradition zur 300-Jahr-Feier von Germantown wieder aufleben. Seitdem gibt es jedes Jahr zum German American Day eigens eine Erklärung des US-Präsidenten.
Etwa 50 Millionen US-Bürger, ein Sechstel der Bevölkerung, führen heute ihre Wurzeln auf deutsche Einwanderer zurück. Dazu gehört der King of Rock‘n‘Roll Elvis Presley – seine deutschen Ahnen hießen Pressler – ebenso wie der Ketchup-Mogul Henry John Heinz, der Jeans-Erfinder Levi Strauss oder Flugzeug-Pionier William E. Boeing.
Neben dem realen deutschen Einfluss auf die Neue Welt ranken sich auch diverse Mythen um die deutsche Prägung der USA. Die berühmteste ist die sogenannte Muhlenberg-Legende. Danach habe das US-Repräsentantenhaus 1794 nur mit knappster Mehrheit den Antrag abgelehnt, Deutsch zur Amtssprache der Vereinigten Staaten zu machen. Tatsächlich ging es damals nur um die Veröffentlichung von Gesetzestexten auch in deutscher Sprache.
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Vom Kampf gegen Sklaverei bis zum Bier - Welche Spuren Krefelder Familien in Philadelphia hinterließen
Zitat1683 landeten deutsche Einwanderer aus Krefeld im heutigen Philadelphia. Sie prägten massiv die frühe Geschichte der US-Millionenmetropole. Bis heute sind ihre Spuren dort zu finden. Ein Besuch vor Ort.
Jeden Tag, wenn Cornelia Swinson ihr Büro im Johnson-Haus (Original: Johnson House) in Germantown auf dem Gebiet der heutigen US-Millionenstadt Philadelphia betritt, spürt sie die reiche Geschichte dieses Hauses. Das prächtige, dreistöckige Gebäude mit steinerner Fassade sieht heute noch fast genauso aus wie zu der Zeit, als es Teil der Underground Railroad war – ein Schleusernetzwerk, das Sklaven im 18. und 19. Jahrhundert die Flucht aus dem Süden der USA in die Nordstaaten ermöglichte. Selbst die Holzarbeiten und Fensterscheiben des Johnson-Haus stammen aus den 1760er-Jahren.
„Es ist kein Zufall, dass ich hier gelandet bin“, sagt Swinson, die Direktorin des Johnson-Haus. „Als junger Mensch habe ich meine Eltern immer nach den Errungenschaften der Afroamerikaner gefragt, die in der Schule nicht gelehrt wurden. Ich wollte verstehen, was wir beigetragen haben und warum das so wichtig war.“
Teils geht die Geschichte des Hauses sogar noch weiter zurück, nämlich bis zur Ankunft von 13 Quäker- und Mennonitenfamilien am 6. Oktober 1683, die damals das heutige Krefeld verließen und ihre Religion frei leben wollten. Sie glaubten, dass die Freiheit nicht den weißen Europäern vorbehalten sein sollte, und wurden im Laufe der Generationen zu stolzen Abolitionisten, also Gegnern der Sklaverei.
Ganze Wellen von deutsch- und niederländischsprachigen Familien entlang des Rheins folgten den Krefelder Familien. Zu ihnen gehörte Dirck Jansen, dessen Name sich in den mehr nach Englisch klingenden Namen Johnson verwandelte. Das Haus der Familie trägt immer noch diesen Namen.
Das Johnson-Haus ist nur eine der Spuren dieser Pioniere aus längst vergangenen Zeiten. Aber um herauszufinden, wo die Vergangenheit in der Gegenwart lebendig ist, muss man sich schon ein bisschen in der Geschichte auskennen.
Da gibt es Straßen, Schulen und andere Ortsnamen, die die früheren Deutschen ehren – Namen wie Crefeld, Pastorius, Cresheim, Rittenhouse. In der Kunst und der Wissenschaft, in Brau- und Backhandwerk tauchen ihre Verdienste immer wieder auf. Doch der vielleicht wichtigste Beitrag war wohl ihr Protest und ihr Kampf für die Abschaffung der Sklaverei.
1. Das Johnson-Haus
Jennetta Johnson Reeve lebte von ihrer Geburt bis zu ihrer Hochzeit im Jahr 1870 im Haus der Familie an der Ecke Washington Lane und Germantown Avenue. Immer wieder erzählte sie, „wie sie sich als kleines Mädchen wunderte, warum so viele schwarze Familien eines Nachts auf dem Dachboden wohnten und am nächsten Morgen nicht mehr da waren“, heißt es in der Nominierung, mit der das Anwesen in das Nationale Register für historische Orte (Original: National Register of Historic Places) aufgenommen wurde.
Wie viele Flüchtlinge nach Norden in diesem Haus Zuflucht fanden, ist nicht bekannt. Allerdings deutet der Nominierungstext darauf hin, dass es sich eher um einige Dutzend als um Hunderte handelte. Die Führungen durch das Johnson-Haus erzählen diese Geschichte mit einigen Änderungen im Laufe der Zeit.
Swinson, die erste schwarze Kuratorin einer historischen Stätte in Germantown, setzte sich dafür ein, einige Formulierungen in den Unterrichtsmaterialien zu ändern, die versklavte Afrikaner als Freiheitssuchende bezeichneten. „Jeder konnte als Freiheitssuchender bezeichnet werden. Das war aber nicht dasselbe“, sagt sie. „Sogar die Deutschen kamen hierher und strebten nach der Freiheit, ihre Religion auszuüben, aber sie waren immer noch weiß. Das ist nicht die Art und Weise, wie versklavte Afrikaner in dieses Land kamen. Man entwertet die Opfer, die erbracht wurden, wenn man diese Geschichte nicht erzählt.“
2. Die erste Erklärung gegen Sklaverei
Wenn man die Germantown Avenue an der Wister Street entlang fährt, kommt man zu einem Einkaufszentrum mit dem Namen Freedom Plaza. Es ehrt das, was der Historiker Patrick Erben als einen der bedeutendsten Beiträge seiner deutschen Landsleute von damals bezeichnet.
An diesem Ort, im mittlerweile abgerissenen Haus von Thones Kunders, versammelten sich 1688 drei Männer aus Krefeld und Franz Daniel Pistorius, um die erste Erklärung der Kolonien gegen die Sklaverei zu verfassen.
Höchstwahrscheinlich wurde die Erklärung von Pastorius verfasst, einem Rechtsanwalt und Pädagogen, der im Sommer vor der Ankunft der Krefelder Familien auf dem Handelsschiff Concord in die heutigen USA ausgewandert war. Das sagt der Historiker Erben von der University of West Georgia, der ein Buch mit Pastorius' Briefen herausgegeben hat.
Die Erklärung von damals wurde zunächst der Quäkerversammlung in Abington und dann in Philadelphia zur Prüfung vorgelegt. Die Beendigung der Sklaverei war eine direkte Kampfansage an die Engländer, die die Krefelder vorher Willkommen geheißen hatten. Der Petition wurde nicht direkt entsprochen. Die Stimmung gegen die Sklaverei wuchs langsam unter den Quäkern. 1776 schlossen sie sich offiziell dem Standpunkt der Krefelder an.
3. Wo die Krefelder in Philadelphia ihre Häuser bauten
Von dem Keller an Front Street und Lombard Street, in dem die Krefelder Familien im Oktober 1683 Lose zogen, um zu bestimmen, wo sie ihre neuen Häuser bauen würden, ist nichts mehr übrig. Aber eine Statue im Vernon Park in Germantown erinnert an ihren neu angekommenen bayerischen Gastgeber Pastorius, ebenso wie eine Straße, eine Grundschule und ein 16 Hektar großer Park in Chestnut Hill. Hier wächst eine Eiche, die Philadelphia 2008 von führenden Krefeldern geschenkt wurde. (Philadelphia erwiderte den Gefallen, doch RP-Recherchen zeigen, dass der US-Baum in Krefeld verschwunden ist.)
Pastorius war ein wohlhabender, gebildeter Lutheraner, der das Rheinland besuchte, um Menschen anzuwerben, die William Penns Angebot der Religionsfreiheit annehmen wollten. Penn wiederum war Begründer und Namensgeber des heutigen US-Bundesstaats Pennsylvania, ein einflussreicher Quäker und Schriftsteller. Pastorius half den Krefelder Familien – die meisten von ihnen Leinenweber – beim Erwerb von Grundstücken, die zwei Stunden von seinem Haus am Delaware River entfernt lagen. Er beschrieb Penn's Woods als „ein Eden der Schönheit, nur verflucht durch eine Unmenge von Klapperschlangen“.
Die Krefelder Familien erwarben 14 Grundstücke, die am alten Lenape Trail lagen. Bald wurde dieser Main Street genannt und später in Germantown Avenue umbenannt.
4. Kein großes Denkmal für die Krefelder in Philadelphia
Ein kleines Bronzedenkmal erinnert an die Ankunft der Krefelder Familien in Philadelphia. Es befindet sich in der Bibliothek der Deutschen Gesellschaft von Pennsylvania (Original: German Society of Pennsylvania) an der Seventh Street und Spring Garden Street. Pläne für eine Version in voller Größe, die 1915 im Vernon Park aufgestellt werden sollte, wurden wegen antideutscher Stimmungen verworfen, sagt Anton „Tony“ Michels, ehemaliger Präsident der Gesellschaft und gebürtiger Krefelder. „So etwas passiert, wenn man zwei Weltkriege anfängt“, stellt er fest.
Die Deutsche Gesellschaft ist die älteste des Landes. Sie geht auf das Jahr 1764 zurück und war ursprünglich ein Ort der Integration von Einwanderern in ihr neues Land. Heute geben 14 Prozent der Amerikaner an, deutschstämmig zu sein – die größte Gruppe von allen. Heutzutage führt die Gesellschaft Veranstaltungen durch, wie etwa im November eine Buchvorstellung für Antje Ulrike Mattheus. Sie zog vor 50 Jahren aus Deutschland nach Germantown und hat die Chronik ihres ehemaligen Hauses, der Cresheim Farm, festgehalten. Die Geschichte handelt von der Zeit, als das Volk der Unami Lenape die Felder bearbeitete, bis hin zu den vielen deutsch-amerikanischen Verwaltern, darunter Aktivisten, die sich gegen die Sklaverei oder den Nationalsozialismus wandten. Auch Mattheus ist Menschenrechtsaktivistin.
Am 6. Oktober zelebrierte die Gesellschaft den „German American Day“, also den deutsch-amerikanischen Tag, mit einem Tanzfest. Feiernde in Lederhosen oder Dirndl hatten freien Eintritt. Für das Jahr 2026, den 250. Jahrestag der Unabhängigkeit der USA, peilt die Gesellschaft die Rückkehr der einst traditionellen Parade nach Center City an, so Präsident Michels.
5. Deutsche Biertradition besteht bis heute fort
Die Attic Brewery ist erst drei Jahre alt, hervorgegangen aus einer riesigen ehemaligen Bleistiftfabrik in Germantown. Dort kann man zwei kulinarische Klassiker probieren, welche die Deutschen nach Philadelphia gebracht haben: Helles Bier (im Englischen lager beer) und weiche Laugenbrezeln.
Bier gab es in Philadelphia schon vor den Deutschen. Die ersten britischen Kolonisten stellten Ale her, ein fruchtiges und bitteres Bier mit hohem Alkoholgehalt. William Penn war ein Hausbrauer. Aber erst 1840 kam die Hefe für Helles, die ein Bayer namens John Wagner auf einem der neuen, schnelleren Klipperschiffe mitbrachte.
Wagner begann mit dem Brauen im Hinterhof seines Hauses in der St. John Street, der heutigen American Street, wo ein historisches Denkmal auf seinen Wohnort hinweist.
Vier Jahre später gründeten Charles Engel und Charles Wolf die erste Großbrauerei des Landes. Ende der 1850er-Jahre stellten etwa 30 Bierfabriken in Philadelphia Helles her. Die untergärige Hefe, die bei kühleren Temperaturen gebraut wurde, erzeugte eine Leichtigkeit, die sich in den heißen Sommern als sehr beliebt erwies. So wurde dieses Viertel als Brewerytown bekannt, also Brauereistadt.
Historiker sehen die Brezel als ein Fastenessen, dessen Geschichte in Europa 1300 Jahre zurückreicht. Einem baden-württembergischen Emigranten namens Daniel Christopher Kleiss wird zugeschrieben, dass er in den 1820er-Jahren in den Straßen von Philadelphia die erste Laugenbrezel der Neuen Welt verkaufte.
In der Attic Brewery werden täglich frische Brezeln von Tasty Twisters in Roxborough angeliefert, deren Besitzer nicht Deutsch, sondern Griechisch sind. Am letzten Samstag im September veranstaltete Attic Funktober, ein eintägiges Fest mit zehn Bands, Ein-Dollar-Brezeln und zehn verschiedenen Bieren, darunter ein Reisbier, ein tschechisches dunkles Lagerbier, ein Wiener Helles, ein geräuchertes Bernsteinbier, ein malziges Maibock und ein bayerisches Märzen.
Und schließlich, als eine zeitgemäße Hommage an die 340-jährige Geschichte, ein deutsches Pils namens G-town Strutter.
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Auszug aus einem Artikel zum Thema "Weihnachtsstern"
ZitatSeinen Ursprung hat die Zierpflanze in den tropischen Laubwäldern Mittel- und Südamerikas. Der preußische Naturforscher Alexander von Humboldt brachte ihn im 19. Jahrhundert von einer Amerikareise mit nach Europa. Etwa hundert Jahre später prägten deutsche Auswanderer in den USA den Namen "Weihnachtsblume". Wahrscheinlich hat der Name mit der Blütezeit zwischen November und Januar zu tun.
Seit den 1950er Jahren wird der Weihnachtsstern gezüchtet und während der Weihnachtszeit als Topfpflanze verkauft. In den USA und Frankreich verschickt man ihn sogar als Liebesgruß.
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Revolutionäre, Sklavenhalter, Millionäre: Erstaunliche Geschichten von Auswanderern aus der Region
ZitatIn den vergangenen Jahrhunderten zog es viele Menschen aus Baden-Württemberg in die Ferne. Einige fanden dort ihr Glück, doch andere scheiterten mit ihren Träumen nach einem besseren Leben.
Tschüss, Adé und Wiedersehen: In den vergangenen Jahrhunderten sind tausende Menschen aus dem Südwesten ausgewandert. Ob in die Nachbarländer oder in die Ferne – Einige von ihnen brachten es dort zu Ruhm und Wohlstand. Andere hingegen kehrten zurück oder überlebten ihre Reise in ihre neue Heimat nicht einmal. Hier sind fünf Geschichten der bekanntesten Auswanderer aus dem Südwesten.
Josef Thum: Der „Keglerkönig“ aus dem Linzgau
Vom Tellerwäscher zum Millionär: Das Credo des Amerikanischen Traums trifft auf den Pfullendorfer Josef Thum zu, wie mehrere Pfullendorfer Chroniken, Nachlässe des Heimatmuseums und Zeitungsartikel aus damaliger Zeit bezeugen. Demnach wanderte der gelernte Bäcker 1876 im Alter von 18 Jahren in die USA aus.
Nach seiner Ankunft blieb er in New York und schlug sich dort anfangs als Schuhputzer und Tellerwäscher durch. Nachdem er von einem deutschen Auswanderer ein Restaurant übernommen hatte, eröffnete er dort im Hinterhof eine Kegelbahn.
Sowohl das Kegeln als auch Thums Gaststätte erfreute sich großer Beliebtheit. Das brachte den Linzgauer zu Reichtum und Wohlstand. Aufgrund der hohen Nachfrage ließ der Geschäftsmann am Broadway einen vierstöckigen Sportpalast mit 24 Kegelbahnen errichten.
Später war er Mitbegründer des amerikanischen Kegelverbandes und ein wichtiges Mitglied der deutsch-amerikanischen Gesellschaft. Nach seinem Tod im Jahr 1937 würdigten mehrere deutschsprachige Zeitungen den „Kegel-König“, wie er genannt wurde. Heute wird unter anderem im Pfullendorfer Heimatmuseum an Thum erinnert.
Leo Zimmermann: Der Titanic-Passagier aus Todtmoos
Leo Zimmermann war ein 29-jähriger Landarbeiter aus Todtmoos, der zu Anfang des 20. Jahrhunderts auf ein besseres Leben in Kanada hoffte. Er wollte in die Provinz Saskatoon, wohin sein Bruder zuvor ausgewandert war, wie Jens Ostrowski in seinem Buch „Die Titanic war ihr Schicksal – Die Geschichte der deutschen Passagiere und Besatzungsmitglieder“ schreibt.
Bei einer Auswandereragentur in Basel kaufte er sich ein Schiffsticket und reiste nach Southampton, England. Dort bestieg er am 10. April 1912 ein Schiff, das nur wenig später in die Weltgeschichte eingehen sollte: die Titanic.
Fast fünf Tage später kollidierte das Schiff nachts mit einem Eisberg und sank. Bei der Katastrophe starben fünf der sechs deutschen Besatzungsmitglieder. Unter ihnen war auch Leo Zimmermann. Ihm zu Ehren befindet sich auf dem Todtmooser Friedhof noch heute ein Gedenkstein.
Familie Friedrich: Die Erfolglosen aus Bonndorf
Genug von Hunger und Elend: Am 7. April 1817 zog Paul Friedrich aus Bonndorf-Gündelwangen einen Schlussstrich unter sein bisheriges Leben und machte sich mit seiner Familie auf den Weg nach Amsterdam. Von dort aus wollte der 39-jährige Wandergeselle in die USA übersetzen und ein neues Leben beginnen, wie Chroniken des Bonndorfer Stadt- und Auswandererarchivs sowie Erich Schnurrs Buch „100 Jahre Schwarzwaldverein Bonndorf“ belegen.
Doch in den Niederlanden läuft nichts wie geplant: Kaum ein Kapitän oder Reeder will seine Familie mitnehmen. Diese befürchten, dass die Ausreisewilligen in der Neuen Welt keinen Arbeitsvertrag erhalten. Damals erhielten nämlich Kapitäne Provisionen von den Verdiensten der Auswanderer in der Neuen Welt. Wem keine Chance auf einen Arbeitsvertrag eingeräumt wurde, durfte nicht mit an Bord.
Die Friedrichs warteten so lange, bis sie ihre gesamten Ersparnisse verloren. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als im Juni 1817 wieder nach Gündelwangen zurückzukehren. Dort begannen die Friedrichs von vorn und lebten in einer kleinen Hütte. Den beiden Söhnen gelang es in den 1830er-Jahren, nach Nordamerika auszuwandern. Paul Friedrich blieb dagegen bis zum Lebensende in Güldenwangen und starb dort 1844 in Armut.
Friedrich Hecker: Der Revolutionär aus Baden
Genug von der Monarchie: Am 11. April 1848 rief der Rechtsanwalt Friedrich Hecker in Konstanz die Bevölkerung zum bewaffneten Widerstand auf. Als Mitglied der Märzrevolution wollte der Badener Rechtsanwalt mit Gesinnungsgenossen die Monarchie stürzen und eine Republik errichten. Von Konstanz aus zog er daher mit rund 30 Leuten in Richtung Karlsruhe los. Auf dem Weg dorthin wollte er möglichst viele Aufständische gewinnen.
Sein Weg führte ihn unter anderem über Radolfzell, Stockach, Donaueschingen und Schopfheim bis nach Kandern am Hochrhein. Dort wurde der Hecker-Zug jedoch von württembergischen Soldaten niedergeschlagen. Nach der Niederlage flüchtete Hecker in die Schweiz, von wo er später in die USA emigrierte. Ein Jahr später wurde er von Gesinnungsgenossen nach Europa zurückgerufen, kehrte aber frühzeitig wieder in die Vereinigten Staaten zurück.
Dort betätigte er sich in Belleville, Illinois, als Viehzüchter und Weinbauer und engagierte sich bei der Republikanischen Partei. Hecker starb 1881 mit 70 Jahren in Summerville, Illinois. Heute erinnern Denkmäler in St. Louis und Cincinnati an ihn. In Südbaden sind mehrere Straßen und Schulen nach ihm benannt.
Johann August Sutter: Der Sklavenhalter aus Lörrach
Johann August Sutter wurde 1803 in Kandern als Sohn eines Papiermachers geboren. Bis zum 15. Lebensjahr wuchs er in der Kleinstadt im Landkreis Lörrach auf und machte anschließend in der Schweiz eine kaufmännische Lehre.
Der junge Sutter konnte nicht Geld mit umgehen und wanderte auf Druck seiner Gläubiger 1834 in die USA aus, wie unter anderem Unterlagen des Landesarchivs Baden-Württemberg belegen. Dabei ließ er Frau und Kinder mit einem hohen Schuldenberg zurück.
Nach fünf Jahren der Wanderschaft ließ er sich in Kalifornien nieder, wo er die Kolonie Neu-Helvetien gründete. Dort erwarb Sutter umfangreichen Grundbesitz und wurde sogar der „Kaiser von Kalifornien“ genannt. Im Jahre 1848 wurde auf seinem Grund Gold gefunden. Innerhalb weniger Monate strömten tausende Menschen ins Land, sodass Sutters Besitz geschmälert wurde. Langwierige Gerichtsprozesse führten den notorisch klammen Sutter in den wirtschaftlichen Ruin. Im Jahr 1880 starb er in Armut in Washington.
Nachdem Sutter in den USA lange als Vorzeigepionier und in der Schweiz als Nationalheld galt, wurde sein Lebenswerk im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung neu verhandelt. Laut Untersuchungen der Historikerin Rachel Huber von der Universität Luzern, soll Sutter ein Sklaventreiber gewesen sein, der sich eine Privatarmee aus indianischen Einheimischen hielt. Um seine Schulden zu tilgen, soll er sogar mit Kindern der Ureinwohner gehandelt haben, wie Zeitzeugenberichte beschreiben.
Im Zuge der Proteste wurde eine Bronzestatue von ihm in Sacramento abgebaut. Ähnlich erging es auch einem Sutter-Denkmal im Kanton Baselland. In seiner Geburtsstadt sorgte eine nach Sutter benannte Straße lange für Gesprächsstoff. Die Stadtverwaltung hat sich aber bislang nicht dazu entschieden, den Namen der Straße zu ändern.
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Peter Paul Cahensly: Beschützer der Auswanderer
ZitatAn Weihnachten vor 100 Jahren starb in Koblenz der Kaufmann Peter Paul Cahensly, Gründer des Raphael-Vereins zum Schutz deutscher Auswanderer.
Die Dramen auf den Flüchtlingsbooten, die sich seit einigen Jahren auf dem Mittelmeer, dem Roten Meer und im Indischen Ozean häufen, erinnern in Vielem an die Tragödien, die sich während der Massenauswanderung im 19. Jahrhundert von Europa nach Amerika, darunter fünf Millionen Deutsche, auf dem Atlantik zugetragen haben. Der Untergang des Dreimasters „William Nelson“, das schlimmste Unglück auf einem Auswanderungsschiff, war im 19. Jahrhundert der Beginn eines Umdenkens in Bezug auf die Auswandererfürsorge in der Kirche und in der Gesellschaft.
Am 26. Juni 1865 war auf dem Atlantik nach einem Brand der Dreimaster „William Nelson“ mit Auswanderern aus der Eifel, Luxemburg und der Moselgegend gesunken. Nach einer Reihe von Todesfällen wegen der schlechten Ernährung und der mangelnden hygienischen Bedingungen hatte der Kapitän, der fürchtete, dass es zu einer Epidemie kommen könnte, die Passagierdecks ausräuchern lassen, eine damals übliche Hygienemaßnahme. Infolge einer Unvorsichtigkeit fing das Schiff Feuer, das sehr schnell um sich griff. 438 Menschen kamen in den Fluten oder im Feuer ums Leben, nur knapp hundert konnten sich in Rettungsboote retten. Die wenigen Geretteten wurden nach Le Havre in Frankreich gebracht. Dort klagten sie über schlechte Behandlung und Schläge, unzureichende Ernährung sowie über Verletzungen dessittlichen Gefühls. Die Schlafstätten waren ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht zugewiesen worden.
In Le Havre wirkte damals auch ein junger Kaufmann, der 1838 in Limburg an der Lahn geboren worden war: Peter Paul Cahensly. Er lebte in Le Havre in der Gemeinschaft der Vinzenzbrüder, die sich in der Nachfolge von Frederic Ozanam im Geiste des heiligen Vinzenz um Hilfesuchende kümmerten. Cahensly hörte sich die Schilderungen der in Le Havre angekommenen Überlebenden an und machte sich zum Anwalt der Auswanderer. Er forderte nicht nur bessere technische und materielle Bedingungen auf den Auswandererschiffen, die ja eigentlich Frachtschiffe für den Transport von Tabak und Baumwolle von Amerika nach Europa waren und von Europa Auswanderer als Fracht mitnahmen. Peter Paul Cahensly schockierten vor allem die psychischen und seelischen Bedingungen der Auswanderer auf den Schiffen, die auf den Unterdecks nicht nur auf Hygiene, Lebensmittel und Wasser, sondern auch auf Privatsphäre und familiären Zusammenhalt verzichten mussten. „Muss man nicht gegen diese aller Moral Hohn sprechende Menschenverpackung, ohne Unterschied der Geschlechter, mit allem Nachdruck die Stimme erheben? Wie lange soll es noch dauern, dass unsere armen Landsleute, welche von den geistigen und körperlichen Gefahren dieser neuen Verhältnisse wohl selten eine Ahnung haben, dass sie zu Tausenden jährlich um ihre höchsten sittlichen Güter betrogen werden?“
Diese Worte richtete Peter Paul Cahensly, kaum sechs Wochen nach den dramatischen Ereignissen auf der „William Nelson“, an die Generalversammlung des Katholikentags in Trier. Die zündende Rede von Cahensly gehörte zu den Höhepunkten dieser Versammlung, sie mündete in die „Trierer Beschlüsse“, eine erste katholische Stellungnahme zu Auswandererfragen.
Cahensly gründete mit Gleichgesinnten 1868 auf dem Katholikentreffen in Bamberg das „Comité zum Schutze deutscher Auswanderer“ und 1871 den Sankt Raphaels-Verein. Der Erzengel Raphael war der „biblische Beschützer der Reisenden und Fremden“. Cahensly gewann in Italien, das ebenfalls Millionen Menschen durch Auswanderung verloren hatte, Bischof Giovanni Battista Scalabrini von Piacenza für seine Ideen und sicherte sich die Unterstützung durch die Päpste Leo XIII. und Pius X. Das war die Grundlage für die kirchenrechtliche Gründung von Raphaels-Vereinen auch in anderen europäischen Ländern. Auch in den Vereinigten Staaten, Nordafrika und in Australien wurden Raphaels-Vereine gegründet. So entstand binnen weniger Jahrzehnte ein internationales und eng geknüpftes Netzwerk zur Unterstützung, Förderung und Integration von Migranten. Dennoch hatte Cahensly auch mit Widerständen zu kämpfen, nicht nur weil die Auswanderer als Verräter an der Nation galten, die eines rechtlichen Schutzes angeblich nicht wert waren.
Wichtig war Cahensly auch das „Seelenheil“ der Auswanderer in der neuen Heimat. Hierzu hatte er auch Kontakte zu Missionsorden, wie den Redemptoristen und Steyler Patres aufgenommen, die sich in den Einwanderungsländern USA, Argentinien und Australien um die deutschen Auswanderer kümmerten. 1887 war Cahensly erstmals selbst nach Amerika gereist und hatte dort das Leohaus, benannt nach Papst Leo XIII., als Zentrum der deutschsprachigen Einwanderer gegründet. Immer mehr rückte die muttersprachliche Einwandererseelsorge ins Zentrum der Bemühungen des Raphaelswerks, das den Erhalt der Muttersprache auch als Grundlage für die seelsorgliche Betreuung der Auswanderer ansah.
Beim Treffen des Internationalen Raphaelswerks im November 1890 in Luzern wurde ein Memorandum zum Erhalt der Muttersprachen in Amerika verfasst, das Cahensly im April 1891 Papst Leo XIII. übergab. Als der Inhalt des Memorandums bekannt wurde, gab es einen Aufschrei in der amerikanischen Presse, dem sich einige Bischöfe aus der um ihren Platz in der Gesellschaft ringenden katholischen Kirche der USA anschlossen. Denn neben bereits existierenden muttersprachlichen Pfarreien verlangte das Memorandum auch nach den Muttersprachen der Einwanderer getrennte Episkopate. Der Konflikt, der gemeinhin als Cahenslysmus bezeichnet wurde, ging bis hinein in den US-Senat und wurde auch in Deutschland von Kirchenkritikern ausgeschlachtet. Er wurde erst 1899 durch die Enzyklika „Testem benevolentiae nostrae“ von Leo XIII. beendet. Das Schreiben ebnete den Weg zu einer grundsätzlichen Flüchtlings-Pastoral, wie sie Papst Pius XII. in seinem Schreiben „Exsul familia“ 1952 weiterentwickelt hat.
Aus dem Bistum Limburg stammte auch der junge Priester Lorenz Werthmann (1858 -1921). In ihm fand Cahensly einen Mitstreiter und Freund der ersten Stunde. Der konservative Sozialpolitiker war wie Cahensly auch Migrationsexperte. In der Not der Migranten, die aus Deutschland auswandern, aber später auch nach Deutschland einwandern wollten, sahen beide die größte Herausforderung der Caritas. Für Werthmann und Cahensly war dabei zentral, dass die ein- und auswandernden Katholiken neben ihrer Würde auch ihre Kultur und ihren Glauben behielten; beides hing für sie zusammen. 1897 gründete Werthmann in Köln den „Charitasverband für das katholische Deutschland“. Er wurde erster Präsident des Verbandes, der seinen Sitz in Freiburg im Breisgau nahm. Dem „Sankt Raphaels-Verein zum Schutze deutscher Auswanderer“ mit Sitz in Limburg/Lahn stand Cahensly bis 1918 selbst vor, dann gab er die Leitung krankheitsbedingt an Prälat Lorenz Werthmann ab, der das Werk nach Freiburg überführte und in die von ihm gegründete Caritas integrierte. Bis heute kümmert sich das Raphaelswerk mit einem Netz von Beratungsstellen in Europa und Übersee um das materielle und sittliche Wohl der Auswanderer. Als langjähriger Abgeordneter des preußischen Landtages und des deutschen Reichstages war Cahensly 1897 auch an der Ausarbeitung des „Reichsgesetzes zum Schutz der deutschen Auswanderer“ federführend beteiligt. Er starb am Weihnachtstag 1923 in Koblenz.
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Auswandern nach Amerika – Ostfriesen wagten den Neuanfang
ZitatUm 1900 wanderten geschätzte 50.000 Ostfriesen nach Amerika aus, darunter viele Fehntjer. Auch in der Fremde hielten sie zusammen und unterstützten sich – nicht selten in „Neu-Ostfriesland“.
Verheißungsvoll war die Zukunft in Amerika wohl für viele Fehntjer in den Jahren ab 1847/48. In der neuen Welt gab es dem Vernehmen nach billiges Land im Überfluss. Mit diesem Versprechen lockten auch die, die den Schritt ins Ungewisse bereits gewagt hatten, in ihren Briefen an ihre Verwandten in den Heimatdörfern. Nicht wenige folgten ihrem Vorbild. Denn in Ostfriesland waren die Zeiten schwer, geprägt von Fluten, Hunger und Krieg: „Es war eine sehr unruhige und schlechte wirtschaftliche Lage“, erläutert Jürgen Hoogstraat. „Die 1840er waren Katastrophenjahre.“ Von 1847 bis 1899 wanderten darum auch geschätzte 50.000 Ostfriesen aus. „Vom Baby bis zur Großmutter“ war alles dabei, sagt er.
Der 62-Jährige ist Pastor der evangelisch-lutherischen St.-Victor-Kirchengemeinde Victorbur und Kenner der Regionalgeschichte. „Mein Hobby ist eigentlich ostfriesische Kirchengeschichte“, relativiert er in einem Gespräch mit der Redaktion. Aufgrund seiner eigenen Familiengeschichte aber hat er sich auch intensiv mit der Geschichte der Auswanderer befasst, die in den Jahren vor und nach 1900 ihr Glück in der Ferne suchten. Unter ihnen waren seine Vorfahren. Nach dem Abitur war Hoogstraat erstmals auf Familienbesuch in den Vereinigten Staaten. Viele weitere sollten folgen, dazu Reisen an Orte, an denen sich andere Ostfriesen Jahrzehnte zuvor niedergelassen hatten.
Der Pastor schloss sich im Zuge seiner Recherchen der „Ostfriesen Genealogical Society of America“ (OGSA) an, die ihren Mitgliedern seit mehr als 25 Jahren dabei helfen möchte, familiäre Verbindungen nach Deutschland zu finden und ihre Wurzeln in Ostfriesland besser zu verstehen. „Das Pendant ist die Upstalsboom-Gesellschaft.“ Der Ostfriese referiert auf Tagungen der Amerikaner und publiziert seine Rechercheergebnisse sowohl in den USA als auch in Deutschland. So erschien mit „Von Ostfriesland nach Amerika. Aus dem Leben ostfriesischer Auswanderer im 19. Jahrhundert“ eine der wenigen Lektüren zu diesem Thema. Hoogstraat und seine Frau, die Pastorin Andrea Düring-Hoogstraat, besuchten im Verlauf der Jahre mehrere Kirchengemeinden, hielten bei diesen Reisen sogar zweisprachige Gottesdienste ab. Gemeinsam predigten sie auf plattdeutscher und englischer Sprache.
Die OGSA ist heute ein wichtiges Bindeglied von Ostfriesland nach Übersee. Beispielsweise organisierte Lin Strong, deren Vorfahren aus der Krummhörn stammen, in den zurückliegenden Jahren Reisen zu den familiären Wurzeln der Amerikaner. In Ostfriesland kümmerte sich Lisa Buß aus Großefehn, wie Hoogstraat Mitglied der OGSA, um die Gäste. 2005 kam erstmals eine Reisegruppe zwecks „Homecoming“ (Heimkehr) nach Ostfriesland. 130 Personen begaben sich auf die Suche nach den eigenen Wurzeln, erinnert sich Buß, die sich thematisch ebenfalls viel mit Auswanderung beschäftigt.
Heute ist es ein leichtes, den Atlantik zu überqueren. Doch um 1900, als die meisten Auswanderer sich auf den Weg machten, war die Reise lang und beschwerlich. Warum sie sich dennoch auf den Weg machten, lässt sich wohl am besten mit dem Wunsch nach einem besseren Leben zusammenfassen: 1815 waren die Ostfriesen unter die Herrschaft des Königreiches Hannover gewechselt. Die neue Obrigkeit stellte viele Regeln auf, die den freiheitsliebenden Ostfriesen missfielen – und sie führte Krieg. „Die größten Auswandererjahre sind 1866 bis 1868. Da sind massenhaft Leute weggegangen.“ Viele flüchteten aus Angst vor dem drohenden Militärdienst. Schlechte Lebensbedingungen, Hunger und Armut taten ihr Übriges. Auf dem Fehn galt dies beispielsweise für Holtrop – hingegen nicht so sehr da, wo auf den Kanälen die Schifffahrt prosperierte, relativiert Hoogstraat.
Durchschnittlich sechs Wochen lang waren die Menschen unterwegs an Bord von Segelschiffen, fand Hoogstraat durch die Lektüre von Reisetagebüchern heraus. War ein Schiff besonders schnell, waren es vier Wochen. Andere brauchten zwei, sogar drei Monate. „Es gab die abenteuerlichsten Routen.“ So habe er in einer Aufzeichnung gelesen, das betreffende Schiff habe Kurs auf Cuba genommen. Zunächst starteten die Segler ab Brake oder Bremen, erst später wurde in Bremerhaven abgelegt. Mit einer Kreuzfahrt hatte diese Form des Reisens nichts gemein, weiß Hoogstraat.: „Es waren schwierige Bedingungen an Bord.“ Die Schiffer unterschieden damals scheinbar kaum zwischen Fracht und Auswanderer: „So wie sie sonst Heringsfässer oder Holz transportiert haben, haben sie jetzt Menschen transportiert.“
Die meisten Menschen mussten im Zwischendeck reisen, zusammengepfercht wie Vieh. Zu essen gab es Pökelfleisch und Zwieback, dazu Wasser – und was die Passagiere sonst noch mit an Bord gebracht hätten. Und die brachten alles mit, was sie nicht bereits verkauft hatten. Es muss erbärmlich gestunken haben, frische Luft gab es kaum. Nur selten durften die Menschen diesen Bereich verlassen. „Krankheiten sind ausgebrochen, Menschen gestorben“, erzählt der Pastor. Vor allem Kinder und Alte hätten die strapaziöse Reise oft nicht überlebt. In einem Tagebuch habe jemand über den Tod eines anderen geschrieben: „Als Opfer der Pestluft des Zwischendecks in See begraben.“
Aber auch Schiffsunglücke forderten zahlreiche Leben: Im November 1854 beispielsweise geriet die Dreimastbark „Johanne“ auf ihrer Jungfernfahrt von Bremerhaven nach Baltimore vor Spiekeroog in einen schweren Sturm, lief auf eine Sandbank auf und kenterte. Miriam Eberhard hat das Schicksal der 216 Passagiere an Bord sowie der Besatzungsmitglieder für das Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven anhand historischer Quellen aufgearbeitet: „Wasser strömt in den Schiffsraum und meterhohe Wellen schlagen über das Deck.“ Hilfe kam erst deutlich später. Immerhin konnten die Spiekerooger noch 139 Menschen vor dem sicheren Tod im Meer retten. Mindestens 77 Personen aber ertranken. Die Toten wurden auf dem „Drinkeldodenkarkhoff“ beigesetzt, dem Friedhof für die Ertrunkenen an der alten Inselkirche. Die Schiffsglocke ist noch heute im Inselmuseum zu sehen.
Auf nahezu jeder Überfahrt starben Menschen. Während die ersten Ostfriesen meist nicht mittellos waren, kam nach und nach Bewegung in die Sache. Die ersten Siedler hatten in Ostfriesland alles verkauft und mit dem, was nach dem Bezahlen der Überfahrt nach Amerika übrig war, ihr neues Leben begonnen. Es zog sie in den Mittleren Westen, wo das Land noch billig war. Noch heute findet man dort viele deutschstämmige Amerikaner, weiß Hoogstraat aus seinen Recherchen: „Illinois, Iowa, Süd-Dakota, Nebraska, Kansas – das sind die Staaten, in denen die meisten Ostfriesen leben.“ Gleich mehrere größere Kolonien gründeten Ostfriesen zu jener Zeit. In mehreren Gegenden entstanden nach 1846 Kolonien, die zunächst nicht selten „Neu-Ostfriesland“ hießen.
Das Besondere dort: Wer es geschafft hatte und es sich leisten konnte, sorgte für den Zuzug weiterer Bewohner aus seiner Familie oder seinem Dorf. Es entstanden beispielsweise Konstrukte, bei denen die Überfahrt vorgestreckt und später abgearbeitet wurde. Ganze Reisegruppen schlossen sich in Dörfern zusammen, um sich auf der Überfahrt und in den Häfen besser schützen zu können. Der Zusammenhalt war groß. Die Kirche war in diesen neuen Kolonien – wie zuvor in Ostfriesland – der Mittelpunkt des spirituellen wie politischen Lebens. Und diese Kirche, verrät Pastor Jürgen Hoogstraat, wurde von den Auswanderern teilweise gestaltet wie die in ihrem Heimatdorf. Und ein bestimmtes Detail durfte ebenfalls nicht fehlen: „Auf der Kirche musste ein Schwan sein.“ Der ist ein Symbol für Martin Luther und ist oft anstelle eines Wetterhahnes auf der Kirchturmspitze zu finden. Er weist auf eine lutherische Gemeinde hin.
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Zum 100. Geburtstag von Karl Pfizer
Geschichte: Pfizer-Konzern hat schwäbische Wurzeln
ZitatMit dem Impfstoff von Biontech und Pfizer keimt Hoffnung im Kampf gegen Corona auf. Charles Pfizer, der Gründer des US-Pharmakonzerns Pfizer wurde 1824 in Ludwigsburg geboren.
Die Meldung über die hohe Wirksamkeit des Corona-Impfstoffs der deutschen Firma Biontech und des amerikanischen Pharmakonzerns Pfizer hat die Welt regelrecht euphorisiert. Tatsächlich hat Pfizer ebenfalls deutsche, um nicht zu sagen, sogar schwäbische Wurzeln. Der Firmengründer Karl Pfizer stammt aus Ludwigsburg.
Am 22. März 1824 wurde Karl Pfizer als fünftes Kind einer gut situierten bürgerlichen Familie in Ludwigsburg im Gebäude Schlosstraße/Wilhelmstraße geboren. Sein Vater war Konditormeister und Kolonialwarenhändler. Pfizer machte eine kaufmännische Ausbildung und erlernte zusätzlich als Apothekerlehrling den Beruf eines Feinchemikers. Pfizer hatte sich einen Teil seines Erbes ausbezahlen lassen und zugleich einen Kredit über 5000 Gulden bei seinem Vater aufgenommen. Dann begab er sich zusammen mit seinem Cousin Karl Erhardt, einem gelernten Konditor, 1848 auf die sechswöchige Reise nach Amerika.
In Williamsburg (Brooklyn) kauften sich die beiden schwäbischen Cousins ein kleines schlichtes Backstein-Gebäude in der Bartlett Street. In dem Häuschen in der damals noch selbstständigen und hauptsächlich von Deutschen bewohnten Gemeinde am East River richteten die beiden Schwaben ein Büro, Lagerraum und ein kleines „Fabrikle“ für die Produktion von feinchemischen Erzeugnissen ein. Zunächst produzierten Pfizer und Erhard die Chemikalie Santonin, ein Mittel gegen parasitäre Würmer. Dieses Medikament schmeckte bis dahin eher unangenehm bitter. Bei Santonin aus dem Hause Pfizer war dies jedoch völlig anders. Pfizers Cousin Erhardt entwickelte als Konditor eine süße Hülle, in der der bittere Kern des Medikamentes steckte. Santonin entwickelte sich daraufhin zum Verkaufsschlager.
Die beiden schwäbischen Auswanderer Pfizer und Erhard hielten zeitlebens einen engen Kontakt in ihre schwäbische Heimat. Bei Geschäftsreisen in Europa machten beide häufig Halt in Ludwigsburg. 1856 heiratete Charles Erhard in Ludwigsburg eine Schwester von Charles Pfizer. Damit war Erhart zugleich auch Schwager seines Vetters Pfizer. Bei einem späteren Besuch in Ludwigsburg lernte Charles Pfizer Anna Hausch kennen und heiratete 1859 ebenfalls in Ludwigsburg.
Das Gebäude in der Bartlett Street war für die aufwärtsstrebende Firma bald zu klein. Im Stadtzentrum von Manhattan eröffneten die beiden Cousins 1857 ein neues Büro. Bis 1860 stellte das kleine Unternehmen Borax und Borsäure her und war damit der erste wichtige Produzent dieser Chemikalie in den USA. 1863 wurden Karl Pfizer und Karl Erhardt eingebürgert und hießen fortan mit Vornamen Charles. Durch Schutzzölle gegen importierten Weinstein begünstigt, begannen Charles Pfizer und Charles Erhardt mit der Herstellung des Cremor Tartari (Weinsteinrahm) aus Weinstein. Mit dieser Weinsäure wurden Wunden der Unions-Soldaten während des amerikanischen Bürgerkrieges behandelt. Pfizer und Erhardt vergrößerten rasch die Produktpalette ihres Unternehmens: Campher, Iod und Iodsalze, Borax, Weinstein, Seignettesalz, Ether, Chlorophorm und Quecksilberverbindungen kamen fortan aus dem Hause Pfizer. 1865 expandierte das Unternehmen auch räumlich und errichtete neben dem Stammwerk in Williamsburg eine Produktionsstätte in Manhattan.
Pfizer beschäftigte 1876 bereits 150 Arbeiter und vier Chemiker. 1890 wandelten die beiden umtriebigen Vettern ihr Unternehmen in die Aktiengesellschaft „Charles Pfizer & Co“ um. 1891 starb Charles Erhardt. Charles Pfizer zog sich 1900 aus der Geschäftsleitung zurück. Er starb am 19. Oktober 1906. Charles Junior und Emile Pfizer sowie ein Sohn von Karl Erhardt leiteten nun die Firma. Das Unternehmen, das für seine kompromisslose Qualitätskontrolle bekannt war, expandierte weiter. In den 1930er-Jahren wurde Pfizer zum Spitzenreiter in der Fermentationstechnik. Dadurch war die Massenherstellung von Zitronensäure, beispielsweise für zitronensäurehaltige Limonaden wie Coca-Cola und Pepsi-Cola, möglich. Pfizer war 1923 der weltgrößte Zitronensäure- und Vitaminpräparate-Produzent. 1941 entwickelte die Pfizer-Forschung ein Verfahren zur großtechnischen Fermentierung des Penicillins. Pfizers Antibiotikum war 200-mal ergiebiger als das herkömmliche Penicillin. Ab 1944 belieferte Pfizer damit die halbe Welt.
Der Ludwigsburger Historiker Karl Moersch fand heraus, dass eine Enkelin von Charles Pfizer um die Jahrhundertwende nach Deutschland zurückkehrte und hochbetagt 1965 im Ludwigsburger Albert-Knapp-Pflegeheim in der Mühlstraße verstarb. Einen Teil ihres Vermögens vermachte sie damals dem Pflegeheim.
In den 1950er-Jahren suchte der amerikanische Pfizer-Konzern einen Produktionsstandort in Deutschland. Tatsächlich war damals wieder Ludwigsburg in der engeren Auswahl. Allerdings bot Karlsruhe ein günstiges Gelände an und bekam den Zuschlag. 1966 gab die deutsche Pfizer-Niederlassung den Anstoß, am Geburtshaus von Karl Pfizer eine Gedenktafel anzubringen, das 1972 aber abgerissen wurde.
Spätestens 1998 stand der Pharmakonzern Pfizer weltweit im Rampenlicht. Damals erhielt Pfizer von der US-Gesundheitsbehörde die Genehmigung, das Medikament Sildenafil zu verkaufen. Eigentlich wollte Pfizer ein Medikament gegen Herzinfarkte und ähnliche Durchblutungsstörungen entwickeln. Die Wirksamkeit gegen koronare Erkrankungen konnte nicht bewiesen werden, stattdessen wirkte das Mittel bei den männlichen Probanden an völlig unerwarteter Stelle und führte zu Erektionen. Sildenafil, inzwischen besser bekannt unter dem Handelsnamen Viagra, war das erste Potenzmittel, das ein weiterer Riesenerfolg für Pfizer wurde.
Info: Derzeit beschäftigt Pfizer nach Unternehmensangaben weltweit über 90 000 Mitarbeiter, davon 2500 in Deutschland. 2018 erzielte Pfizer Inc. einen Umsatz von 53,8 Milliarden US-Dollar. Das Unternehmen investiert in Forschung und Entwicklung etwa 8 Milliarden US-Dollar. Aktuell ist Pfizer der größte Pharmakonzern der USA. Bis 2018 war Pfizer der weltweit größte Pharmakonzern und wurde erst 2019 von Roche auf Platz zwei verdrängt.
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Ausstellung "American Dreams" - Auswanderer-Geschichten
ZitatVerfolgte und Revoluzzer, Hungrige und Verrückte zog es nach Amerika. Eine Ausstellung zeichnet ihre Wege auf – Geschichten über deutsche Handwerkskunst und weiße Upper Class, Rassismus, Genozid und den Kampf ums Überleben. Zu sehen im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart.
Selten hatte eine Ausstellung eine solche Wirkung auf mich. Ich suche in einem Karton mit alten Familienfotos. Und da steht er in einer Backstube mit einer Rührmaschine für Spritzgebäck, vor einem halbautomatischen Backofen, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Ravensburg wohl nicht zu finden waren. Er war einer der drei Brüder meiner Großmutter, der nach Amerika auswanderte und sein Glück als Bäcker machte. Er sprach kein Wort Englisch bei der Ankunft im Hafen von New York, wo er seine spätere norwegische Frau fand, wo er sich die Dollars für den Führerschein und den ersten amerikanischen "Schlitten" verdiente. Dann fuhren sie los durch Pittsburgh und Milwaukee und, als ob er es riechen konnte, quartierten sich in einer Kleinstadt ein, wo ein alter Bäcker einen Nachfolger suchte, und der hieß Albert Fritz.
Bald rannten ihm die Leute den Laden ein wegen seiner schwäbischen Seelen, Brezeln, der Hefezöpfe und des Zwiebelkuchens. Wir hätten uns vermutlich gut verstanden, denn er wechselte die Wohnsitze so oft wie ich. Einer aus der Verwandtschaft mütterlicherseits, den heimatliche Behaustheit so schnell anödete wie mich. Wenn die Bäckerei auf Hochtouren lief, wenn er einem jungen Amerikaner die schwäbischen Rezepte verraten und ihn ausgebildet hatte, verkaufte er alles, was nicht in oder aufs Dach des riesigen gebrauchten Buick passte. Er machte sein weiteres Glück in der nächsten, in der übernächsten Kleinstadt. Einmal, erzählte mir Großmutter, kam er zu Besuch nach Ravensburg mit der silbernen Taschenuhr mit Springdeckel. Und im Krieg schickte er Pakete mit Zigaretten für meinen Vater, Baked Beans und Maxwell Coffee in Dosen.
Der Schwabe aus Ravensburg – mit der Norwegerin und den Kindern – lebte seinen Traum von Freiheit und Unabhängigkeit in Amerika: mit seinem Handwerk, das er liebte, und seinen Broten, die die Kundschaft liebte. Solche Familiengeschichten dürften bei manchen Besuchern der Ausstellung wach werden, denn es war eine ziemlich verrückte Menge an schwäbischen Auswanderern, die Wurzeln schlugen in Nordamerika.
Da war der 1789 in Reutlingen geborene Ökonom und Publizist Friedrich List, der sich so verächtlich über die reaktionäre und korrupte Bürokratie äußerte, dass er auf der Festung Hohenasperg inhaftiert wurde. Nach fünf Monaten nahm er das königliche Angebot an: Freilassung, wenn er nach Amerika auswandern würde.1830 kehrte Friedrich List als erfolgreicher Bergbau- und Eisenbahnunternehmer und als Konsul der Vereinigten Staaten nach Deutschland zurück, wo er an der Gründung des Deutschen Zollvereins beteiligt war. 38 Einzelstaaten schlossen sich zum Deutschen Bund zusammen. Das amerikanische Glück verlor er mit dem Bau der ersten deutschen Eisenbahnen. 1846 beging er Suizid.
Die württembergischen Gefängnisse hatte auch der Sigmaringer Schmied Andreas Bolter kennengelernt wegen seiner "Antheilnahme an der Volkserhebung" 1848/49. Er gründete in Chicago eine Stahlfabrik. Im Knast saß 14 Wochen auch der Schriftsetzer Karl Herzog, der 1847 an den "Hungerkrawallen" in Stuttgart beteiligt war. Er ging nach Amerika, "wo nicht in jedem Winkel ein Polizeispion sitzt".
Unter den Tausenden, die in Rotterdam auf ein Schiff nach New York warteten, waren auch Wendelin und Juliane Grimm aus Kühlsheim, das den Spottnamen "Badisch-Sibirien" hatte. Er züchtete die erste winterharte Luzerne, die Grundlage für eine amerikanische Milchwirtschaft, und wurde ein reicher Mann.
Eine große Not, zu der auch die Franzoseneinfälle im Pfälzischen Erbfolgekrieg beitrugen, der auch in Württemberg Bauern ins Elend trieb, führte 1709 zu einer Massenauswanderung der Pfälzer. Ihr schloss sich auch Johann Konrad Weiser (1642 bis 1746) aus Großaspach an, der bei den Württembergischen Blauen Dragonern gedient hatte. Während der 15. Schwangerschaft starb seine Frau. Da ging er mit acht seiner Kinder aufs Schiff. Sie ließen sich nieder in Schoharie County im Staat New York, wo es zu einer ungewöhnlichen Begegnung kam. Ein Häuptling der Mohawk Indianer lernte Weisers 16-jährigen Sohn Conrad kennen und schlug dem Vater vor, ihn bei seinem Stamm zu lassen. Conrad Weiser blieb vier Jahre, lernte die Bräuche und die Sprache der Mohawk und wurde zum Friedensrichter und Dolmetscher bei Verhandlungen mit den Weißen in Pennsylvania. Der Staat New York ehrte ihn später mit dem "Weiser State Forest", in Großaspach wurde eine Schule nach ihm benannt. Weiser war eine der bewundernswerten Ausnahmen in den entsetzlichen Vernichtungsfeldzügen der weißen Einwanderer.
Ein riesiges Ölbild von Emanuel G. Leutze organisierten die Kuratoren der Ausstellung: Katholische Prediger sitzen in christlicher Freundschaft vereint zwischen sanft blickenden weißen Siedlern und vermutlich bereits getauften Indianern. Leutze wurde, nach einem Studium an der Düsseldorfer Akademie, zum "Maler der Geschichte Amerikas". Seine bei reichen Weißen beliebten Bilder sind eine edle Verklärung des Rassismus. Die Nazis entdeckten einen wie Leutze für ihre Geschichtsklitterungen in der Blut-und-Boden-Kunst. Dieser Genozid kommt noch immer nur am Rande vor in der europäischen wie in der amerikanischen "Erinnerungskultur". Die Mehrzahl der Enkel und Urenkel lebt nicht, sie vegetiert in den "Indianer-Reservaten": drogen- und alkoholabhängig, krank, arbeitslos.
Der Genozid an den Indigenen Völkern Nordamerikas wird in der Stuttgarter Ausstellung nicht verheimlicht. Um 1500 lebten sieben Millionen Indigene, generell als "Indianer" bezeichnet, in Nordamerika. Um 1900 waren es noch 237.000, weniger als vier Prozent der Ureinwohner. Als "divine land", als "Gelobtes Land", bevölkert von "Wilden", bezeichneten viele Einwanderer Nordamerika. Johann Georg Rapp aus Itzingen war einer davon. Seit den 1780er-Jahren begann er, pietistische Sektierer um sich zu scharen, die ihre Kinder selbst tauften und ihnen den Schulbesuch verboten. Im Herbst 1803 wanderten die ersten Sektierer unter Leitung von Georg Rapp, der sich nun "Prophet" nannte, nach Amerika aus. Bis 1817 waren es gut 750 Sektierer, die sich in der "George Rapp and the Harmony Society" zusammenschlossen, in Vorbereitung des "1.000-jährigen Friedensreiches".
Der Messias kam leider nicht. Da gründeten sie Städte wie "Penn-Sylvania", nach dem Quäker William Penn benannt, im Geiste eines radikalen Pietismus mit urchristlichem Gemeinschaftsbesitz als erfolgreichem Wirtschaftsmodell und rigiden Rollenbildern Mann – Frau. Als religiös Verfolgte in der Heimat, suchten und fanden sie ihren "American Dream" in der Religionsfreiheit als Freidenker. Man könnte auch sagen: als "Querdenker".
Berührend sind die Geschichten von deutschen Frauen, die eine Beziehung mit einem GI hatten, von rassistischen Vorurteilen umgeben, wenn es ein schwarzer GI der amerikanischen Besatzungsarmee war. Charlotte Werr war es verboten, den Ex-Sergeant David Petty zu heiraten. 1946 musste er zurück in die Staaten. Erst 1947 durfte sie mit ihrem Baby zu ihm in die USA. Und der US-Generalkonsul Norman Thatcher Scharpf in Frankfurt erzählt von seinen schwäbischen Wurzeln, die zurückgehen bis zu seinem Urgroßvater.
Diese Ausstellung konterkariert den rechten, oft rechtsradikalen Spuk von AfD, Reichsbürgern und ähnlichen Milieus, in Italien mit den Fratelli d’ Italia oder in den Niederlanden mit Rechtspopulisten wie Geert Wilders. Der Inbegriff allen Übels sind für sie die Migranten: die anderen, die Fremden. Geflüchtete wäre das passendere Wort. Geflohen aus Armut, aus Diktaturen, aus von Rohstoffgiganten und Klimaveränderungen zerstörten Ländern des Südens. Auch sie haben Träume von einem besseren Leben, von Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, von Freiheiten für Frauen in der neuen Heimat Deutschland.
Migration ist Teil der deutschen Geschichte. Manche unserer Vorfahren waren Migranten, Flüchtlinge. Sie holten sich Land, auf dem andere seit Jahrhunderten lebten. Sie wurden wohlhabend in der neuen Heimat, die zuvor die Heimat der "Wilden", der "Unterentwickelten" war.
Die deutschen, die europäischen Migranten brachten Silber für die Kirchen zurück, Gewürze, Tee und Kaffee sowie Schiffsladungen voller geraubter Kunst für unsere "Völkerkunde-Museen". 1802 brachte Alexander von Humboldt Guano aus Peru zurück, Dünger aus dem Kot von Seevögeln und Pinguinen. Nun wurde schiffsweise das getrocknete Zeug nach Europa geholt. Hergestellt wurde Guano mit chinesischen Sklaven, was niemanden störte.
Das sollten Björn Höcke und Alice Weidel, Geert Wilders und Giorgia Meloni und deren Sympathisant:innen doch einmal belegen, wenn sie wieder von "Remigration" und ähnlichen Unsäglichkeiten reden: Wann und wo haben unsere Migrant:innen deutsche Kulturgüter tonnenweise in ihre Heimatländer verschleppt und "indigene Deutsche" in einem Anfall genozidalen Wahns umgebracht?
Die Ausstellung "American Dreams – ein neues Leben in den USA" im Haus der Geschichte Baden-Württemberg läuft bis 28. Juli 2024. Stuttgart-Mitte, Konrad-Adenauer-Straße 16, geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr.
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400 Jahre New York: Als die Lower East Side noch Kleindeutschland hieß
ZitatSelbst die ganz Großen haben mal klein angefangen. Das gilt auch für New York, die mit rund achteinhalb Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Stadt der USA. Politisch, wirtschaftlich und kulturell hat die Metropole an der Ostküste globalen Einfluss, vielfach wird sie „Hauptstadt der Welt“ genannt. Seien es Debatten am Sitz der Vereinten Nationen, Börsenkurse an der Wall Street, Hit-Musicals am Broadway oder die von Touristen wie Filmemachern unzählig abgelichteten, ikonischen Wolkenkratzer – was in New York passiert, findet heute überall seinen Widerhall.
Das war zu Beginn der Besiedlung der Region, vier Jahrhunderte zuvor, noch völlig anders. Die „Insel der vielen Hügel“ („Manna-hatta“ in der Sprache der Ureinwohner, woraus später der Name „Manhattan“ hervorging) war von dichten Wäldern überwachsen, in denen Bären umherstreiften, und von Sümpfen voller quakender Frösche durchzogen. 1524 hatte der italienische Seefahrer Giovanni da Verrazzano als erster Europäer das Gebiet entdeckt, 1609 bereiste der Engländer Henry Hudson die Region, der wie zuvor Christoph Kolumbus auf der Suche nach einer Westpassage gen Asien war.
Der spätere Namensgeber des Hudson Rivers berichtete von einer reichen Biber-Population, was Pelzhändler der Alten Welt auf den Plan rief, wo die Felle der Nagetiere in der Modebranche gerade sehr gefragt waren. Kurz darauf errichteten holländische Geschäftsleute einige Handelsposten, bis die Niederländische Westindien-Kompanie im Jahr 1624 die Kolonie Neu-Niederland gründete – die Geburtsstunde des späteren New York. Einige Familien siedelten nun dort, und an Manhattans Südspitze begann der Bau des Forts Neu-Amsterdam.
Das Verhältnis zwischen den europäischen Neuankömmlingen und den amerikanischen Ureinwohnern war zunächst von Handel geprägt, doch bald kam es zu Konflikten und schließlich zur gewaltsamen Verdrängung durch die weißen Siedler. Zum Schutz vor Überfällen ließen diese von Sklaven, die sie aus Afrika importierten, einen Schutzwall errichten, auf dessen Verlauf sich die heutige Wall Street befindet. Ein einstiger Handelspfad der Natives quer durch die Halbinsel wurde der spätere Broadway. 1653 erhielt Neu-Amsterdam Stadtrechte. In den Englisch-Niederländischen Seekriegen fiel die Stadt an die Briten, welche sie 1664 nach dem damaligen Duke of York (dem späteren König James II.) in New York umbenannten.
Die Stadt wuchs, und 1754 ließ König George II. im Süden Manhattans das King’s College gründen, die spätere Columbia University. Als intellektuelles und wirtschaftliches Zentrum wurde New York auch politisch bedeutender, neben anderen Ostküstenstädten wie Boston bildete sich hier eine Keimzelle der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung. Diese mündete im Unabhängigkeitskrieg, in dem New York von den Briten besetzt und in weiten Teilen durch ein Feuer zerstört wurde. Nach dem Sieg der Amerikaner fungierte sie einige Jahre als Hauptstadt der jungen USA, in der 1789 die Inauguration des ersten US-Präsidenten George Washington stattfand.
Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts setzte eine rasante Transformation New Yorks ein, und mit dem „Commissioners’ Plan of 1811“ wurden entscheidende Weichenstellungen für das spätere Stadtbild getroffen. Für die weitere Ausdehnung von der Südspitze der Halbinsel, wo sich bisher alles konzentrierte, in die bislang kaum besiedelten nördlichen Teile Manhattans setzte man ab jetzt konsequent auf ein gleichförmiges, rechtwinkliges Raster, mit Straßenblöcken an zwölf Avenues in Nord-Süd-Richtung und dutzenden durchnummerierten Querstraßen.
Neuer Wohnraum wurde nun auch immer dringender benötigt, denn das Wachstum der Stadt entfaltete eine beispiellose Dynamik. Das lag zum einen an der Fertigstellung des Eriekanals 1825, der New Yorks Hudson River mit den großen Seen und damit den Märkten des Mittleren Westens verband und die Stadt zum größten Warenumschlagplatz der Ostküste werden ließ. Zum anderen setzte eine Masseneinwanderung aus Europa ein.
Von rund 79.000 Einwohnern im Jahr 1800 wuchs die Bevölkerungszahl „Greater New Yorks“ bis ins Jahr 1900, inklusive der jetzt inkorporierten Boroughs außerhalb Manhattans wie Queens und Brooklyn, auf rund dreieinhalb Millionen Menschen, davon knapp zwei Millionen in Manhattan. Vor allem wirtschaftliche Gründe bewogen Millionen verarmter Europäer zu dieser Zeit, ihr Glück in der Neuen Welt zu versuchen, darunter viele Iren, Engländer – und Deutsche.
Denn als große Teile der Deutschen Länder in den unsicheren Revolutionszeiten der 1840er-Jahre von einer Ernährungs- und Teuerungskrise erfasst wurden, setzte ein wahrer Auswanderungsschub ein, dem im Verlauf des Jahrhunderts weitere folgen sollten. Verleger erkannten das steigende Interesse am Thema Emigration und brachten spezielle Auswandererblätter mit Informationen über Ausreise und Arbeitsmöglichkeiten in Übersee heraus.
Schiffseigner engagierten Ausreiseagenten, die um potentielle Emigranten warben, für sie ein lukratives Geschäft. Der technische Fortschritt schuf weitere Impulse: Eine Überfahrt nach New York auf einem modernen Dampfschiff dauerte nun statt bis zu zwölf Wochen nur noch 14 Tage. Keine andere Stadt verzeichnete jetzt eine so starke deutsche Zuwanderung wie New York, das nach Berlin und Wien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Stadt mit den meisten deutschen Einwohnern werden sollte.
Viele Neuankömmlinge zogen weiter nach Westen ins Landesinnere, wo günstiges Acker- und Weideland lockte, aber immer mehr entschieden sich, in der aufstrebenden Handels- und Industriestadt zu bleiben. Die meist mittellosen Emigranten hatten einen harten Weg vor sich, geschenkt wurde ihnen nichts. Einmal vom Schiff direkt in die fremde Umgebung geworfen, waren sie – meist kaum oder gar nicht der englischen Sprache mächtig – auf sich gestellt.
Da lag es nahe, sich gegenseitig zu unterstützen und zusammenzutun. Das Ergebnis waren Einwandererviertel, in denen ganze Straßenzüge die Gestalt der Heimat annahmen. Teile der Lower East Side nannten die Amerikaner jetzt „Little Germany“, die Emigranten bezeichneten die Gegend im Südosten Manhattans als Kleindeutschland. Das Leben in der deutschen Enklave hat die Historikerin Ilona Stölken in ihrem Buch „Das deutsche New York“ (Lehmstedt Verlag, 2013. 280 Seiten) nachgezeichnet.
Im „Deutschlandle“ stellten deutsche Immigranten bis zu 45 Prozent der Bevölkerung, man sprach deutsch und heiratete untereinander, las deutschsprachige Zeitungen und traf sich in Kirchen, Volkstheatern, Vereinslokalen und Biergärten. Die Gegend war allerdings alles andere als malerisch: Immer mehr Einwohner drängten sich in überfüllten Mietskasernen ohne fließendes Wasser, Seuchen grassierten, im östlichen Teil befanden sich Kohlenlager, Werften, Brauereien und Schlachthäuser, die einen beißenden Gestank verbreiteten. Neben einer kleineren Zahl von Akademikern bestand die deutsche Gemeinschaft vor allem aus Arbeitern und Handwerkern – die besser als etwa die Iren ausgebildet und daher als Arbeitskräfte in der expandierenden Stadt sehr begehrt waren. An New Yorks rapidem wirtschaftlichen Aufschwung hatten sie somit erheblichen Anteil.
Eine deutsche Domäne wurde die Nahrungsmittelindustrie. Das Bierbrauen war fest in deutscher Hand, aus zunächst kleinen Brauereien wurden bis ins späte 19. Jahrhundert riesige Betriebe. Auch deutsche Fleischer und Bäcker hatten in der Stadt hohe Marktanteile. Die größte Gruppe deutscher Immigranten arbeitete aber in der Bekleidungsindustrie, oft in Heimarbeit. Neben weiteren produzierenden Berufen wie Tischlern waren viele Deutsche auch im Handel tätig und unterhielten kleine „Krämerläden“. Deutsch-jüdische Einwanderer, die zu Hause von vielen Gewerben ausgeschlossen waren, hatten hier am meisten Expertise, sodass sie bald einen Großteil des Einzelhandels in New York kontrollierten. Ebenso vermochten sich deutsch-jüdische Banker in Konkurrenz mit den alteingesessenen angelsächsischen Geldhäusern New Yorks zunehmend zu etablieren.
Wer es sich leisten konnte, ließ die vollgestopften Straßen und Hinterhöfe Kleindeutschlands aber bald hinter sich, um nach Norden in die neuen und modernen Bauten oberhalb der Houston Street zu ziehen, die dort in rasantem Tempo hochgezogen wurden. Zudem strömten immer mehr Einwanderer aus Osteuropa und Italien in die Lower East Side, die daher um die Jahrhundertwende zunehmend ihren deutschen Charakter verlor.
Die Deutschen wichen mit ihren Unternehmen nicht nur nach Norden aus, sondern auch aus Manhattan hinaus, etwa nach Brooklyn, das durch die 1883 fertiggestellte Brooklyn Bridge nun viel besser angebunden war. Die imposante, damals weltweit längste Hängebrücke mit 486 Metern Spannweite zählt bis heute zu den ikonischsten Bauwerken New Yorks und wurde bei ihrer Einweihung, zu der zehntausende Schaulustige kamen, noch Roebling-Brücke genannt. Denn ihr Konstrukteur war Johann August Röbling, der sich 1831 aus dem thüringischen Mühlhausen nach Amerika aufgemacht und seinen Namen in John Roebling abgeändert hatte.
Die Deutschen wichen mit ihren Unternehmen nicht nur nach Norden aus, sondern auch aus Manhattan hinaus, etwa nach Brooklyn, das durch die 1883 fertiggestellte Brooklyn Bridge nun viel besser angebunden war. Die imposante, damals weltweit längste Hängebrücke mit 486 Metern Spannweite zählt bis heute zu den ikonischsten Bauwerken New Yorks und wurde bei ihrer Einweihung, zu der zehntausende Schaulustige kamen, noch Roebling-Brücke genannt. Denn ihr Konstrukteur war Johann August Röbling, der sich 1831 aus dem thüringischen Mühlhausen nach Amerika aufgemacht und seinen Namen in John Roebling abgeändert hatte.
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1885 emigrierte Friedrich Trump aus dem pfälzischen Kallstadt, aus dem auch die Familie seines Vetters zweiten Grades Henry John Heinz stammte. Dessen H. J. Heinz Company in Pittsburgh wurde um die Jahrhundertwende zum Synonym für Tomatenketchup. Trump wiederum stieg nach lukrativen Geschäften an der Westküste 1918 ins Immobiliengeschäft in Queens ein, was sein Sohn Fred Trump weiterführte. Dessen Sohn Donald Trump sollte in den 1970ern und -80ern zu einem der schillerndsten Immobilienunternehmer New Yorks werden, 2015 verkündete er im von ihm erbauten Trump Tower in Midtown Manhattan seine erfolgreiche Präsidentschaftskandidatur. Im November 2024 will er erneut kandidieren. Die US-Präsidenten Herbert Hoover (im Amt 1929 bis 1933) und Dwight D. Eisenhower (im Amt 1953 bis 1961) hatten ebenfalls deutsche Vorfahren.
So wie Röbling oder Steinweg änderten viele deutsche Einwanderer in den USA seit jeher ihre Namen ab, um sich der angelsächsischen Leitkultur anzupassen. Der Assimilierungsdruck führte bereits um die Jahrhundertwende zu einer schwindenden Sichtbarkeit der Deutschamerikaner. Dann kam die Zäsur des Ersten Weltkriegs, und alles Deutsche geriet unter Generalverdacht. Den deutschen Amerikanern kam es ab dem Kriegseintritt der USA 1917 nur noch in Ausnahmefällen in den Sinn, das Banner deutscher Kultur hochzuhalten. Der Zweite Weltkrieg tat ein Übriges. Wer heute nach deutschen Spuren in New York sucht, muss genau hinschauen, etwa um verblasste deutsche Inschriften auf Kirchen oder einstigen Vereinshäusern zu finden.
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New Yorks schlimmste Katastrophe vor „9/11“ besiegelte Kleindeutschlands Ende
ZitatWas als fröhliche Fahrt auf einem Ausflugsdampfer begann, endete am 15. Juni 1904 in einer entsetzlichen Tragödie. Über 1000 Passagiere starben, vor allem Frauen und Kinder. Die meisten von ihnen waren Deutschstämmige aus New Yorks „Little Germany“. Der Stadtteil erholte sich davon nicht.
Die Tragödie ereignete sich ausgerechnet am „Hell Gate“ – einer gefährlichen Flussenge im New Yorker East River, die für ihre Stromschnellen berüchtigt war. Ein dreistöckiger, hölzerner Schaufelraddampfer namens „General Slocum“ war am frühen Vormittag des 15. Juni 1904 vom Pier der East 3rd Street Richtung Long Island aufgebrochen. Mit seinem 76 Meter langen Rumpf galt er als das „größte und glanzvollste Ausflugsschiff New Yorks“.
Das Ziel an jenem Mittwochmorgen war ein Picknick, das die Sonntagsschule der lutherischen Kirchengemeinde St. Marks alljährlich organisierte. Unter den über 1300 Passagieren herrschte eine fröhliche Stimmung, hauptsächlich waren Frauen und Kinder an Bord.
Doch schon bald nach dem Ablegen brach im Laderaum des Schiffes ein Feuer aus, möglicherweise durch eine weggeworfene Zigarettenkippe. Weil das Manövrieren am „Hell Gate“ schwierig war und zudem Öltanks das Ufer säumten, entschloss sich der Kapitän zur Weiterfahrt und steuerte mit Volldampf auf eine kleine Werft auf North Brother Island zu, in der Hoffnung, die rund eine Meile noch zu schaffen.
Das Manöver hatte einen fatalen Ausgang. Der Fahrtwind entfachte die Flammen erst recht, und wenig später waren 1021 Passagiere tot – sie waren in den Flammen umgekommen oder ertrunken. Da Kinder keine Fahrscheine benötigten, lag die Zahl wahrscheinlich noch um einiges größer.
Nur 321 Passagiere überlebten. Retter berichteten von toten Kindern, die im Fluss trieben. Noch Tage später wurden Leichen an die Ufer der Metropole gespült. „Ein Horrorspektakel, das sich mit Worten nicht beschreiben lässt“, titelte eine Zeitung.
Die Zahl der Opfer war auch deshalb so hoch, weil die Knickerbocker Steamship Company ihren Luxuskreuzer seit seinem Stapellauf 1891 bei der Wartung vernachlässigt hatte. Der Kork der Schwimmwesten hatte sich mit der Zeit aufgelöst. Die Rettungsboote waren zwar beizeiten lackiert, dabei aber mit dem Schiffsrumpf verklebt worden. Löschversuche scheiterten, weil die morschen Wasserschläuche dem Druck nicht standhielten. Die für einen solchen Ernstfall kaum trainierte Besatzung reagierte kopflos. „Es ist, als ob wir die Hölle selber löschen müssten“, meldete die Crew dem Kapitän.
Es war das schwerste Unglück in New York bis zum Terroranschlag auf das World Trade Center vom 11. September 2001, fast ein Jahrhundert später. Der Schiffskapitän wurde zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, von denen er allerdings nur drei Jahre absitzen musste. Die Direktion der Reederei ließ man dagegen ungeschoren davonkommen. Präsident Theodore Roosevelt berief eine Untersuchungskommission ein und erließ strengere Sicherheitskontrollen für Passagierschiffe.
Das Desaster hatte bleibende Auswirkungen auf die Stadt: Ein ganzes Viertel Manhattans sollte sich davon nicht mehr erholen, nämlich „Little Germany“ oder Kleindeutschland an der Lower East Side, das Zentrum der deutschen Einwanderer. Und das waren nicht wenige: Keine andere Stadt hatte seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine so starke deutsche Zuwanderung wie New York erlebt, das nach Berlin und Wien zur Stadt mit den meisten deutschen Einwohnern wurde.
Im „Deutschlandle“ stellten deutsche Immigranten bis zu 45 Prozent der Bevölkerung, man sprach deutsch und heiratete untereinander, las deutschsprachige Zeitungen und traf sich in Kirchen, Volkstheatern, Vereinslokalen und Biergärten. Das Leben in der deutschen Enklave hat die Historikerin Ilona Stölken in ihrem Buch „Das deutsche New York“ (Lehmstedt Verlag, 2013. 280 Seiten) nachgezeichnet.
Hier hatte sich die Gemeinde St. Marks befunden, welche die schicksalhafte Bootstour organisiert hatte und die bei der Tragödie hunderte Mitglieder verlor. Immer mehr Deutschstämmige verließen nun die Gegend, weil sie die Erinnerung an den Verlust ihrer Familienangehörigen nicht mehr ertrugen.
Die „Slocum“-Katastrophe war zwar nicht der Auslöser für das Verschwinden Kleindeutschlands, aber sie verstärkte die Auflösungserscheinungen und beschleunigte das Ende des deutschen Charakters der Gegend. Dieses hatte sich bereits seit den 1880er-Jahren abgezeichnet. Denn die Gegend war alles andere als malerisch: Immer mehr Einwohner hatten sich zuletzt in überfüllten Mietskasernen ohne fließendes Wasser gedrängt, Seuchen grassierten, im östlichen Teil befanden sich Kohlenlager, Werften, Brauereien und Schlachthäuser, die einen beißenden Gestank verbreiteten.
Wer es sich leisten konnte, ließ die vollgestopften Straßen und Hinterhöfe Kleindeutschlands hinter sich, um nach Norden in die neuen und modernen Bauten oberhalb der Houston Street zu ziehen, die dort in rasantem Tempo hochgezogen wurden. Zudem strömten immer mehr Einwanderer aus Osteuropa und Italien in die Lower East Side. Die Deutschen wichen mit ihren Unternehmen nicht nur nach Norden aus, sondern auch aus Manhattan hinaus, etwa nach Brooklyn, das durch die 1883 fertiggestellte Brooklyn Bridge nun viel besser angebunden war.
Neben einer kleineren Zahl von Akademikern bestand die deutsche Gemeinschaft zuvor vor allem aus Arbeitern und Handwerkern – die besser als etwa die Iren ausgebildet und daher als Arbeitskräfte in der expandierenden Stadt sehr begehrt waren. An New Yorks rapidem wirtschaftlichen Aufschwung hatten sie somit erheblichen Anteil.
Eine deutsche Domäne wurde die Nahrungsmittelindustrie. Das Bierbrauen war fest in deutscher Hand, aus zunächst kleinen Brauereien wurden bis ins späte 19. Jahrhundert riesige Betriebe. Auch deutsche Fleischer und Bäcker hatten in der Stadt hohe Marktanteile. Die größte Gruppe deutscher Immigranten arbeitete aber in der Bekleidungsindustrie, oft in Heimarbeit. Neben weiteren produzierenden Berufen wie Tischlern waren viele Deutsche auch im Handel tätig und unterhielten kleine „Krämerläden“. Deutsch-jüdische Einwanderer, die zu Hause von vielen Gewerben ausgeschlossen waren, hatten hier am meisten Expertise, sodass sie bald einen Großteil des Einzelhandels in New York kontrollierten. Ebenso vermochten sich deutsch-jüdische Banker in Konkurrenz mit den alteingesessenen angelsächsischen Geldhäusern New Yorks zunehmend zu etablieren.
Viele deutsche Einwanderer in den USA änderten seit jeher ihre Namen ab, um sich der angelsächsischen Leitkultur anzupassen. Der Assimilierungsdruck führte bereits um die Jahrhundertwende zu einer schwindenden Sichtbarkeit der Deutschamerikaner. Nach der „Slocum“-Katastrophe kam bald die Zäsur des Ersten Weltkriegs, und alles Deutsche geriet unter Generalverdacht. Den deutschen Amerikanern kam es ab dem Kriegseintritt der USA 1917 nur noch in Ausnahmefällen in den Sinn, das Banner deutscher Kultur hochzuhalten. Der Zweite Weltkrieg tat ein Übriges.
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Vizekandidat Walz hat Vorfahren in Baden – einer war Bürgermeister
ZitatNicht selten haben US-Politiker Vorfahren aus Deutschland. Auch die Urahnen von Tim Walz, der Vizepräsident unter Kamala Harris werden will, sind einst in die USA ausgewandert.
Vorfahren des demokratischen Kandidaten für die US-Vizepräsidentschaft, Tim Walz, haben nach Angaben der badischen Stadt in Kuppenheim gelebt. Sein Ururgroßvater Sebastian Walz sei 1867 in die USA ausgewandert, teilte die Stadt im Landkreis Rastatt mit. Damals hatte er noch "Waltz" geheißen, er ließ den Namen später ändern. Ein weiterer Urahn könnte laut den Recherchen zu Walz' Vorfahren sogar von 1852 bis 1861 amtierender Bürgermeister gewesen sein.
Die direkte männliche Vorfahren-Linie von Walz lasse sich in Kuppenheim bis zu seinem sechsmaligen Urgroßvater Sebastian Walz (1698–1768) zurückführen, hieß es. "Wir freuen uns natürlich, dass der mögliche Vizepräsident der USA aus Kuppenheim stammt", sagte Bürgermeister Karsten Mußler den "Badischen Neusten Nachrichten". "Wir drücken ihm die Daumen, dass er für die Demokraten in der ganzen Welt die Wahl gewinnt. Und natürlich laden wir ihn jetzt schon herzlich nach Kuppenheim ein", so Mußler weiter.
"Tim Walz dürfte mit zahlreichen heutigen Kuppenheimern gemeinsame Vorfahren haben", sagte er. Der Name "Walz" sei in Kuppenheim indes keine Seltenheit. "Ob er allerdings der häufigste Name in unserer Stadt ist, das kann ich nicht sagen", so Stadtoberhaupt Mußler.
Die demokratische US-Präsidentschaftsanwärterin Kamala Harris hatte Walz am Dienstag als ihren Vizekandidaten für die US-Präsidentschaftswahl im November benannt. Der 60-Jährige ist seit 2019 Gouverneur des Bundesstaats Minnesota und saß vorher viele Jahre als Abgeordneter im Repräsentantenhaus. Vor seiner politischen Laufbahn war er Lehrer.
Auch der Großvater des Ex-Präsidenten und Konkurrenten von Harris, Donald Trump, stammt aus Deutschland. Friedrich (später Frederick) Trump wurde in Kallstadt, Rheinland-Pfalz, geboren.
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Rudolph Dirks: Der Urvater des Comics kommt aus Heide
ZitatRudolph Dirks hat einen der ältesten Comics weltweit erfunden - und mit ihm die Sprechblase. Inspiriert waren die "Katzenjammer Kids" des Cartoonisten aus Heide von "Max und Moritz".
Hans und Fritz sind wahre Lausbuben, sie spielen ihren Mitmenschen böse Streiche: Mal experimentieren sie mit Sprengstoff, mal binden sie Hund und Katze an den Schwänzen zusammen, mal täuschen sie ihre eigene Entführung vor. Ihre arme "Mama" und ihr grummeliger Ziehvater, der "Captain", haben ihre liebe Not mit den garstigen Zwillingen - und das bereits seit mehr als 125 Jahren. Seit 1897 verfolgen Leser in aller Welt die Untaten der beiden "Katzenjammer Kids" - und amüsieren sich köstlich über die kleinen Unholde. Schöpfer der beiden anarchischen Anti-Helden ist Rudolph Dirks, ein deutscher US-Einwanderer aus dem Kreis Dithmarschen. In den USA wird der Comic-Pionier seit Langem verehrt, in Deutschland ist er noch immer weitgehend unbekannt.
Geboren wird Dirks am 26. Februar 1877 in Heide. Als Rudolph sieben Jahre alt ist, wandert die Familie nach Amerika aus und lässt sich in der Nähe von Chicago nieder. Die Leidenschaft des jungen Dirks ist das Zeichnen. Bereits als 16-Jähriger veröffentlicht Dirks erste Illustrationen, wenig später zieht er nach New York. Dort kommt Dirks beim "New York Journal" unter, eine der führenden Boulevard-Zeitungen des mächtigen Publizisten William Randolph Hearst. Dirks soll für das Blatt eine farbige Bilder-Serie entwickeln, erwünscht ist etwas Satirisches im Stil von "Max und Moritz" von Wilhelm Busch.
Und Rudolph Dirks liefert: Am 12. Dezember 1897 erscheint die erste Folge der "Katzenjammer Kids" mit Hans und Fritz, die auch optisch an "Max und Moritz" erinnern. Schon bald experimentiert Dirks mit neuartigen Stilmitteln und etabliert Standards, die bis heute moderne Comics prägen: Seine Figuren reden über Sprechblasen, Striche und Staubwolken signalisieren schnelles Wegrennen, Sternchen über dem Kopf stehen für Schmerzen.
Die "Katzenjammer Kids" sind ein durchschlagender Erfolg und lassen die Zeitungsauflage in die Höhe schießen. Jeden Sonntag verfolgt eine riesige Leserschaft die jüngsten Streiche der Rabauken, die für die beiden nicht selten mit einer Tracht Prügel enden.
Charakteristisch für die Serie ist der besondere Slang der Figuren: Sie verwenden ein mit deutschen Wörtern und Konsonanten gespicktes Englisch, das dem harten Akzent deutscher Auswanderer nachempfunden ist: "You haff vent too far mit me", beschwert sich etwa einer der Gepiesackten über die Rotzlöffel. "Dunner und Blitzen", entfährt es dem "Captain", wenn die beiden ihm mal wieder das Leben schwer machen.
Mit seinem speziellen "Denglisch" kommt der neue Comic sowohl bei den zahlreichen deutschen Einwanderern als auch bei anderen Lesern gut an. Dass die Comic-Serie im Gegensatz zu anderen Bildergeschichten ganz ohne moralische Belehrungen daherkommt, macht sie umso beliebter. Sie sind Slapstick um des Slapsticks willen, ohne erhobenen Zeigefinger - das lieben die Leser.
1912 wird die Serie zeitweilig unterbrochen: Dirks will zur "New York World" des Medien-Moguls Joseph Pulitzer wechseln, Hearsts schärfstem Konkurrenten. In einem Gerichtsprozess erstreitet sich Hearst die Rechte am Titel "Katzenjammer Kids", Dirks bleiben die Rechte an den Charakteren. Er führt die Serie für die "World" unter dem Titel "Hans und Fritz" weiter.
Später übernimmt sein Sohn John den erfolgreichen Comic unter dem Titel "The Captain and the Kids". Bis Ende der 1970er-Jahre erscheinen die Streiche der beiden Lausbuben. Die Serie mit dem Originaltitel "The Katzenjammer Kids" wird sogar noch heute in Skandinavien verlegt. Mit über 125 Jahren ist sie die älteste Comic-Reihe der Welt. Ihren Schöpfer haben die Comic-Lausbuben damit um Jahrzehnte überlebt. Rudolph Dirks stirbt am 20. April 1968 mit 91 Jahren in New York. Seit 2016 ist der Award der deutschen Comic Convention nach ihm benannt.
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German-American Day erinnert an Krefelder Auswanderer
ZitatIn den Vereinigten Staaten erinnert man sich am 6. Oktober seit Ende der 1980er-Jahre an die Ankunft der 13 Krefelder Familien im Jahr 1683. Sie bildeten die erste organisierte Auswanderungsgruppe nach Nordamerika. Mit dem „German-American Day” soll das deutsche Erbe vieler US-Bürger wieder ins Bewusstsein gerückt werden. Bis zum Ersten Weltkrieg wurde in vielen US-Städten an die Krefelder Auswanderer, die „Original 13″, und die Gründung von Germantown gedacht. Aber erst 1983, anlässlich der Feierlichkeiten „300 Jahre Deutsche in Amerika”, wurde diese Tradition vom damaligen US-Präsident Ronald Reagan erneuert und auf seine Initiative im August 1987 zudem gesetzlich verankert. Seitdem veröffentlicht das Weiße Haus an diesem Feiertag eine Proklamation des US-Präsidenten, zuletzt 2023 von Joseph R. Biden jr.: „On German-American Day, we honor the over 40 million Americans who claim German heritage and the countless ways they have strengthened the diverse fabric of our Nation.”
Das Andenken an die Auswanderung gelangte zuerst im 19. Jahrhundert anlässlich des 200. Jahrestages beiderseits des Atlantiks wieder ins Bewusstsein. Der Historiker Dr. Oswald Seidensticker, Chronist der Deutschen Gesellschaft in Pennsylvanien, erläuterte seinen Landsleuten den Anteil der Deutschen an der Besiedlung Nordamerikas. Der „Crefelder Verein für wissenschaftliche Vorträge” legte zu dieser Zeit das Buch über die „Geographischen Beschreibungen der Provinz Pennsylvanien” von Franz Daniel Pastorius neu auf. In Philadelphia und Krefeld feierten die Menschen diesen Jahrestag jedoch unabhängig voneinander. In der nordamerikanischen Stadt begannen die Feierlichkeiten am 6. Oktober 1883 in der Musikakademie mit deutschen und englischen Ansprachen. Am folgenden Tag fanden Gottesdienste in deutschen Kirchen und Synagogen statt. Einen Festzug gab es am 8. Oktober mit Schauwagen, die Episoden der deutschen Geschichte in Amerika zeigten. Zudem liefen Vereine und Gesellschaften in dem Zug mit. Der Tag endete mit einem Volksfest. Davon ausgehend verbreitete sich das Fest in den USA.
In Krefeld stand ein Geschichtskolleg des Berliner Reichtagsabgeordneten Dr. Friedrich Kapp im Mittelpunkt der Feier am 6. Oktober 1883 in der Stadthalle an der Hubertusstraße. Er hatte sich in den vergangenen Jahren mit der Geschichte der Deutschen in Nordamerika beschäftigt. Als Geschenk überreicht Kapp Krefelds damaligen Oberbürgermeister Ernst Küper ein Faksimile des Sklavenprotestes aus dem Jahr 1688, den auch Krefelder Auswandererfamilien initiiert hatten. Aus den Reihen der Krefelder Siedler waren es wohl Mennoniten, die den Anstoß für eine Ablehnung der Sklaverei gaben. Am 18. April 1688 wurde im Haus des Krefelders Thones Kunders dieser erste öffentliche Protest gegen die Sklaverei in Amerika formuliert. Auch in der Stadthalle wurden Vorträge auf Deutsch und Englisch gehalten. Während des Festes erreichte ein Telegramm aus Philadelphia die Menschen, welches die Grüße von fünf Millionen Deutsch-Amerikanern übermittelte. Oberbürgermeister Ernst Küper antwortete an das Stadtoberhaupt am Delaware: „Die Heimatstadt der ersten deutschen Einwanderer in Amerika sendet zum heutigen Feste einen brüderlichen Gruß!”
Die letzte große Feier dies- und jenseits des Atlantik fand 1983 statt: die Philadelphiade. Zur großangelegten 300-Jahre-Feier trafen sich im Sommer der amerikanische Vize-Präsident Georg Bush, Bundespräsident Karl Carstens und Bundeskanzler Helmut Kohl zum Festakt in Krefeld. Im Herbst reisten neben der offiziellen Delegation der Stadt mehrere hundert Krefelder in die USA, um die Feierlichkeiten dort mitzuerleben.
Die deutsch-amerikanische Freundschaft lebt heute vor allem durch den direkten, persönlichen Kontakt, für die Krefelder insbesondere mit der 1986 gegründete Städtepartnerschaft mit Charlotte im Bundesstaat North Carolina. Anlässlich des NRW-USA-Jahrs ist nun ein kurzer Film über die Beziehung von Krefeld zu den USA entstanden.
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"Föhr nach New York": Spurensuche in der Familiengeschichte
ZitatDer Hamburger Musiker Bente Faust erzählt in einem neuen Podcast von NDR Schleswig-Holstein und der Ferring Stiftung in Kooperation mit Honig & Gold die Auswanderergeschichte seiner Großeltern zwischen Krise und Weltkrieg.
Mai 1927: Ein kleines blondes Mädchen betritt mit ihrer Mutter und ihren beiden jüngeren Schwestern zum ersten Mal den Boden von New York City. Inge Ketelsen kann bisher kein Wort Englisch sprechen, nur Friesisch und Hochdeutsch. Aber sie wird hier, mitten im Stadtteil Harlem, ihre Kindheit verbringen. Ihr Vater Riewert war schon einige Jahre zuvor ausgewandert, nun ist ihm der Rest seiner Familie von Föhr gefolgt. Inges Vater hatte damals als Milchmann in New York angefangen, mittlerweile besitzt er einen eigenen Deli, eine Art Feinkostladen.
Zur gleichen Zeit in der nordfriesischen Heimat: Der achtjährige Hermann Rickmers genießt seine Bullerbü-Kindheit auf Föhr. Er spielt mit Murmeln, streift durch die Felder, geht angeln und schwimmen. Kaum zu glauben, dass sich seine Wege in den kommenden Jahren immer mal wieder mit denen von Inge kreuzen - und dass die beiden einmal in der Weltstadt New York zueinander finden werden.
Als Inges und Hermanns Enkel Bente Faust 1994 zum ersten Mal Bruchstücke dieser Geschichte hört, ist er fasziniert. Der Musiker und Produzent aus Hamburg hat viele Sommer in der Kindheit bei seiner Ualmam auf Föhr verbracht - Ualmam ist das friesische Wort für "Oma". Dass sie mal in den USA gelebt hatte, wusste er natürlich. Aber all die Einzelheiten, die hatten ihn bisher nicht interessiert. Später interviewt er Inge mehrfach, zeichnet die Gespräche auf - ein Sprachenmix aus Friesisch, Englisch und Deutsch. Und er reist nach New York, besucht die Orte, an denen seine Oma lebte. "Jetzt kam irgendwie die Gelegenheit, dass wir gesagt haben: Jetzt könnte man diese Schatzkiste mal auspacken und gucken, was da drin ist", sagt er. Die Aufnahmen sind Teil des Podcasts "Föhr nach New York. Eine Auswanderergeschichte." Den gesamten Podcast gibt es ab dem 8. November auch auf Fering, dem Föhrer Friesisch.
Inge, ihre Eltern und Schwestern sind damals längst nicht die einzigen, die sich auf den langen Weg über den Atlantik nach New York machten: "Es sind sehr, sehr viele Nordfriesen ausgewandert, schätzungsweise zehn bis zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts", so Robert Kleih. Er ist Sprachwissenschaftler, leitet die Ferring Stiftung auf Föhr und kümmert sich insbesondere um die Erforschung der friesischen Sprache und Kultur.
Die Gründe dafür seien vielfältig gewesen: Das sehr ländliche, abgeschiedene Leben an der Westküste war entbehrungsreich. Und die meisten Familien hatten viele Kinder, von denen natürlich längst nicht alle den elterlichen Hof übernehmen konnten. "Irgendwann kam dann dieses Deli-Business in New York dazu", erzählt Daniel Hautmann, der den Podcast gemeinsam mit Bente Faust umgesetzt hat. Viele der rund 2.000 Friesen in New York verdienen so in den 1920er-Jahren ihr Geld. Und viele junge Männer wittern ihre Chance auf ein neues Leben in den USA.
"Das hat Oma auch erzählt, dass damals immer andere Leute von Föhr für eine Saison bei ihnen wohnten. Die kamen rüber, um ein halbes Jahr in New York zu arbeiten, Geld zu machen und dann wieder nach Hause zu fahren", sagt Bente Faust. Ohnehin sind die Friesen in der Weltstadt bestens vernetzt: Schon 1884 wird in einem Saloon der Föhrer Jappen-Brüder der "Föhrer und Amrumer Kranken- und Unterstützungs-Verein von New York und Umgegend" gegründet.
Robert Kleih erklärt im Podcast, wie der Verein zustande kam: "Es gab ja keine Krankenversicherung in Amerika. Und da war die Idee, wir schließen uns zusammen und machen eine eigene kleine Versicherung. Jeder zahlt Geld ein und im Krankheitsfall kann man solidarisch unterstützt werden." Doch der Verein ist viel mehr als das: Ein Stück Heimat in der Fremde, eine Anlaufstelle für alle Probleme. Heiratsbörse, Festausrichter - und die Rettung in der Weltwirtschaftskrise mit einem eigenen kleinen Bankensystem.
Als 1929 die Börse in New York zusammenbricht, hat das auch Folgen für Inges Familie. "Da waren überall Schlangen vor den Suppenküchen", erinnert sich Inge im Interview. Noch Jahre später lassen viele Kunden im Deli ihres Vaters nur anschreiben. Das ist ein Detail seiner Familiengeschichte, das Bente Faust besonders beschäftigt:
"Dann wird Zeitgeschichte plötzlich interessant, wenn du so einen persönlichen Bezug bekommst. Vom Börsencrash hat man vielleicht in der Schule im Geschichtsunterricht gehört. Aber wenn dann meine Oma erzählt, wie sie als 16-Jährige die Schulden von ihrem Vater eintreiben musste, bekommt das plötzlich eine ganz andere Tiefe."
Übrigens lebt Hermann mittlerweile auch in New York - auch, wenn er das ganz anders geplant hatte. Er arbeitet im Deli seiner Brüder und trifft schließlich auf Inge, die er schon von Sommerurlauben auf Föhr kannte. Die beiden werden ein Paar, blicken wegen des Zweiten Weltkriegs aber plötzlich in eine ungewisse Zukunft.
Drei Wochen nach ihrer spontanen Hochzeit muss Hermann nämlich an die Front nach Europa - für die Amerikaner. Eine Sache habe ihm dabei "horrormäßig Angst gemacht", erzählt Bente im Podcast: "Was ist, wenn ich drüben, auf der anderen Seite, jemanden sehe, den ich kenne und auf ihn schießen muss?" Wie es seinem Opa im Krieg letztlich erging, konnte Bente in unzähligen Briefen nachlesen. "Das Bild wurde so immer schärfer. Was haben die gemacht zu der Zeit? Wie war ihre politische Einstellung? Was waren deren Sorgen? Das war auf jeden Fall ein großer Schatz." Seine Recherche verarbeitet der Musiker in Songs, die auch im Podcast zu hören sind.
Monatelang bangt Inge um ihren Hermann, dann sehen sie sich endlich wieder. Auch der Kontakt in die Heimat ist nach Kriegsende wieder möglich. Und für die Familie auf Föhr sind die Auswanderer in New York die Rettung: Lebensmittel, Kleidung, Hygieneartikel - alles ist knapp in Deutschland. In den USA hingegen nicht. Inge und Hermann sind bei weitem nicht die einzigen, die unzählige Care-Pakete verschicken.
Fortan leben die beiden irgendwie zwischen den Welten. New York ist zwar die neue Heimat, hier sind ihre Kinder geboren worden, wachsen nun ganz ähnlich auf, wie Inge damals. Aber die Sehnsucht nach den Eltern und Geschwistern, dem ländlichen Föhr mit all den Freiheiten für die Kinder und nach dem Friesischen, wächst zunehmend. 1955 ergibt sich für Inge, Hermann und ihre kleine Familie dann eine einmalige Chance, in der Heimat wieder Fuß zu fassen. Aber ein Stück ihres alten Lebens in der Großstadt nehmen sie mit auf die Nordseeinsel - in Form eines Cocktails: Der Föhrer Manhattan ist bis heute "das Nationalgetränk" der Insel.
Bente Faust und Daniel Hautmann machen im Podcast mehrere Jahrzehnte Zeitgeschichte anhand des Lebens von Inge und Hermann lebendig und greifbar. Eine Liebesgeschichte zwischen einigen der größten Ereignissen des 20. Jahrhunderts. Und eine Auswanderergeschichte, die ihre Familie und die Insel Föhr bis heute prägt.
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Von Wildeshausen ins Weiße Haus: Wie die Familie Schlademann in die USA auswanderte
ZitatWie der Urenkel einer Auswandererfamilie aus Wildeshausen Karriere in den USA machte: Diesen Berufs- und Lebensweg hat jetzt der Delmenhorster Hobbyhistoriker Herbert Frommeyer für Harry Shlaudeman nachgezeichnet.
Sein Urgroßvater wurde einst als Sohn eines Zinngießers in Wildeshausen geboren: 1954 trat Harry Shlaudeman für die USA in den Auslandsdienst ein. Er war Diplomat und amerikanischer Botschafter, hauptsächlich in Mittel- und Südamerika. In seinen 38 Dienstjahren arbeitete er unter acht amerikanischen Präsidenten, von Eisenhauer über Kennedy und Reagan bis George Bush senior, der ihm 1992 die Friedensmedaille verlieh. Im Weißen Haus, der amerikanischen Machtzentrale, bestimmte er die Außenpolitik über Jahrzehnte mit, wobei er mit Persönlichkeiten wie Henry Kissinger eng zusammenarbeitete.
Nahezu unbekannt ist aber, dass Shlaudeman deutsche Wurzeln hat, die nach Wildeshausen führen. Wie kam es zu dieser Entdeckung? Bei Neil Armstrong, dem ersten Menschen auf dem Mond, war es der Zufall, der seine deutschen Wurzeln in Ladbergen (zwischen Osnabrück und Münster) aufdeckte. Ähnlich auch im vorliegenden Fall: Bei Recherchen zu Auswanderern aus dem Nordwesten Deutschlands, die in ihrer neuen Heimat im Brauereigewerbe tätig wurden, geriet beim Autor dieses Berichts, dem Delmenhorster Hobbyhistoriker Herbert Frommeyer, die Familie „Schlademann“ in den Fokus.
Diese war mit drei Kindern um 1828 von Damme (früher im Großherzogtum Oldenburg) nach Wildeshausen übergesiedelt. Der Vater Johann Arnold, von Beruf Zinngießer, hat auch für die Wildeshauser Schützengilde gearbeitet, denn sein Name ist auf älteren Pokalen eingraviert, die er umgearbeitet hatte. Vor seiner Auswanderung 1846 stiftete er ihr einige Zinngefäße, die noch heute existieren. Die Familie wohnte an der Huntestraße.
Sohn Heinrich wurde 1834 in Wildeshausen geboren. Im Herbst 1846 stand die Auswanderung an. Die Seereise auf dem englischen Segelschiff „Manchester“ ging zunächst von Bremerhaven nach Baltimore/Maryland. Auf der Schiffsliste ist Johann Arnold Schlademann mit seiner Frau Elisabeth Margarete, den Kindern Anna Adelheid, Florentine Elisabeth, Christoph August, Christian Wilhelm und Heinrich sowie seiner Nichte Margaretha eingetragen.
Von Baltimore ging es weiter auf dem Landweg nach Cincinnati, wo es damals viele deutsche Auswanderer hin verschlug. Sein jüngster Sohn Heinrich (fortan amerikanisch: „Henry Shlaudeman“) erlernte den Beruf seines Vaters. Er verdiente seinen Lebensunterhalt in den Bundesstaaten Ohio und Indiana.
Im Jahr 1858 gelangte er, seinen Freunden folgend, nach Decatur/Illinois, wo auch Abraham Lincoln in jungen Jahren gelebt hatte. Nachdem Henry Shlaudeman dort vier Jahre in der Tabakindustrie gearbeitet hatte, übernahm er 50 Prozent Anteile der dortigen Brauerei von Edward Harpstrite (fortan „Harpstrite & Shlaudeman“). 1884 ging sein Kompagnon in Rente, er übernahm den Betrieb zu 100 Prozent. Dann stiegen seine Söhne Frank und Harry mit ein. Schließlich wurde die Firma unter dem Namen „Decatur Brewing Company“ geführt. Die Geschäfte liefen gut, so gründete er eine „Ice Factory“ und bekleidete Direktorenposten in verschiedenen Branchen, zum Beispiel bei der städtischen Bank.
Im Jahr 1889 findet man Henry Shlaudeman mit seinen damals noch unverheirateten Töchtern Lilli und Maude auf einer Schiffsliste von Bremen nach New York. Man kann davon ausgehen, dass er seine alte Heimat besucht hat. 1903 ging Henry Shlaudeman in Rente. Er pendelte zwischen Pasadena/Kalifornien in den kalten Wintermonaten und Decatur im Sommer.
Sohn Harry, der obendrein auch Architektur an der Universität von Illinois studiert hatte, heiratete 1894 die irischstämmige Margaret McGorrey. Mit ihr hatte er sieben Kinder, die alle in Decatur/Illinois geboren wurden. Später folgte er mit seiner Familie dem Vater ins sonnige Kalifornien. Einer seiner Söhne, Karl Whitman, Jahrgang 1898, heirate 1924 in Orange/Kalifornien die Lehrerin Florence A. Pixley. Dieser Ehe entstammten zwei Kinder, Harry Walter, geboren 1926, und Marcia, geboren 1927.
Ersterer ist der eingangs erwähnte Harry W. Shlaudeman. Er diente im Zweiten Weltkrieg bei der US-Marine und studierte danach an der berühmten Stanford-Universität Englische Literatur. Dort begegnete ihm Carol Jean Dickey, die er noch als Student 1948 heiratete. Das Paar bekam drei Kinder. Der Beruf als Diplomat brachte es mit sich, dass Shlaudeman in vielen Ländern gelebt hat, zum Teil mit der Familie. Erst im Rentenalter verweilte er längere Zeit an einem Ort, zuletzt im kalifornischen San Luis Obispo, wo der hoch angesehene Mann 2018 im Alter von 92 Jahren verstarb.
Interessanterweise ist sein rastloses Leben durchaus vergleichbar mit dem seines noch in der alten Heimat Wildeshausen geborenen Urgroßvaters „Henry“, einem sehr angesehenen Bürger von Decatur. So hat er eine Vielzahl von Jobs an unterschiedlichen Orten angenommen, ist viel gereist und pendelte jahrelang zwischen Illinois und Kalifornien. Erst im Rentenalter kam er zur Ruhe und erreichte mit 89 Jahren ebenfalls ein hohes Alter.
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