Acht Minuten, zwei Sekunden für die Ewigkeit
ZitatAlles anzeigenDie erfolgreichste Hard-Rock-Komposition der Geschichte erschien vor genau 50 Jahren auf Led Zeppelins viertem Album. Aber was der Text von „Stairway to Heaven“ eigentlich bedeutet, wusste sein Schöpfer Robert Plant selbst nicht.
Es kommt der Tag, an dem selbst der räudigste Rocker nach Höherem strebt. Eben noch hat er vom Wunsch gesungen, sich wie eine Zitrone auspressen zu lassen, „bis der Saft meine Füße hinunterläuft“ und Kritiker mit seiner Stimme aufgebracht (er singe Noten, befand einer, „die nur Hunde hören können“), schon wächst in ihm die Sehnsucht, der Welt etwas zu schenken, „das so bemerkenswert ist wie Beethovens ,Fünfte‘. Nicht bloß etwas, an das man sich noch in 50 Jahren erinnert, sondern etwas so Großes, dass es bis in alle Ewigkeiten Bestand hat“.
Für 50 Jahre hat es mittlerweile schon gereicht: Am 8. November 1971 erschien auf dem vierten – titellosen – Album Led Zeppelins „Stairway to Heaven“. Ein Intro mit vage klassisch klingender Akustikgitarre („Bachs Bourée in e-Moll für Arme“ sollte Jimmy Page, der sich das ausgedacht hatte, später sagen) und Blockflöte; metaphorisch ungezügelte Lyrik, von der es hieß, sie habe sich vom Buch „The Magic Arts in Celtic Britain“ des schottischen Mythologen und Atlantisforschers Lewis Spence und vom „Herrn der Ringe“ inspirieren lassen, was sie allerdings nicht verständlicher machte.
Und ab 5:55 Minuten ein Gitarrensolo, zu dem man sich dringend sehr lange Haare wachsen lassen wollte, um sie schütteln zu können, ehe das Spektakel wieder leiser wurde und der Sänger sich mit der a cappella vorgetragenen Versicherung verabschiedete, die Lady würde sich eine Treppe in den Himmel kaufen. Acht Minuten und zwei Sekunden dauert der Track, von dem bis heute niemand angeben kann, wovon er handelt – Robert Plant, der sich immerhin den Text ausgedacht hatte, hat mehr als einmal bekundet, er selbst wisse es auch nicht.
„Stairway to Heaven“ wurde tatsächlich zu einem Stück für die Ewigkeit. Bis heute ist es die erfolgreichste Hard-Rock-Komposition der Geschichte. 1991, zum 20. Jahrestag, hat jemand berechnet, sie sei 2.874-000-mal im Radio gespielt worden – einem Medium, das bekanntlich Drei-Minuten-Knaller liebt. Über 37 Millionen Exemplare wurden von dem Album verkauft (die Band weigerte sich standhaft, „Stairway to Heaven“ als Single auskoppeln zu lassen, weil sich die Fans verdammt noch mal die Langspielplatte kaufen sollten).
Beim Streaming-Service Spotify, 37 Jahre nach der Veröffentlichung von „Led Zeppelin IV“ gestartet, verzeichnete der Zähler Anfang November 617 Millionen Streams für das Stück. Der Led-Zeppelin-Knaller hat es sogar geschafft, sich im April 2010 an die Spitze der Deutschen Download-Charts zu setzen, nach einem Aufruf, den „Deutschland sucht den Superstar“-Gewinnersong „Don’t Believe“ von Mehrzad Marashi mit Led Zeppelin in die Schranken zu weisen.
Und bis vor zwei Jahren wurde vor amerikanischen Gerichten darüber gestritten, ob das Akustikintro eine Schöpfung der Band oder ein Plagiat einer ähnlich klingenden Gitarrenpassage aus einem Song der amerikanischen Band Spirit sei. Der Prozess ging zugunsten von Led Zeppelin aus, nachdem Sachverständige dargelegt hatten, dass die verhandelte Moll-Akkord-Auflösung in der Musikgeschichte praktisch ständig vorkomme.
„Stairway to Heaven“ ist also tatsächlich ins Weltkulturerbe eingegangen, wie Goethes „Faust“ oder Beethovens „Fünfte“. Immer wieder mussten die Bandmitglieder erzählen, was sie dazu getrieben hatte. Der Gitarrist Jimmy Page: „Ich habe mir nur ‚roll it‘ gesagt, tief Luft geholt und losgelegt.“
Der Sänger Robert Plant: „Der Text kam aus dem Kopf eines 23-Jährigen.“ Der Bassist John Paul Jones: „Als wir das Stück ein paar Monate vor seiner Veröffentlichung bei einem Konzert in Belfast spielten, war das Publikum gelangweilt, weil es lieber etwas hören wollte, was es schon kannte.“
Und selbstverständlich wird an die noch lebenden Bandmitglieder (der Schlagzeuger John Bonham erstickte im September 1980 nach viel zu viel Wodka im Schlaf) immer wieder der Wunsch herangetragen, für viele Millionen noch einmal gemeinsam auf eine Bühne zu treten und dabei auch „Stairway to Heaven“ zu spielen. Das hat aber bisher nur einmal geklappt – 2007 bei einem Konzert in der Londoner O2-Arena.
Robert Plant nämlich hat schon lange keine Lust mehr, die Frau zu besingen, die sich eine Himmelsleiter kauft. Irgendwann, hat er selbst erzählt, habe er einem Radiosender in Portland 10.000 Dollar überwiesen, der mit dem Versprechen um Spenden warb, niemals „Stairway to Heaven“ zu spielen.
„Es ist nicht so, dass ich das Lied nicht mag“, erklärte er damals, „ich habe es bloß schon gehört.“ Und wenn er in Interviews auf seinen Beitrag zur Ewigkeit angesprochen wird, kontert er ein wenig grimmig mit: „Ach, dieses verdammte Hochzeitslied.“ Bei Begräbnissen wird es übrigens den britischen Funeral Music Charts zufolge auch gerne gespielt.