125 Meilen Wanderwege bietet der Acadia National Park in Maine, der älteste Nationalpark östlich des Mississippi. Vom leichten Spaziergang durch Wiesen und Heide bis zum mit Eisentritten gesicherten Klettersteig reicht die Auswahl. Zu den anspruchsvollsten und anstrengendsten Touren zählt dabei der Precipice Trail zum Gipfel des Champlain Mountain. Zwar nur ca. zwei Meilen lang hat es dieser Trail wahrlich in sich, bietet aber neben dem Nervenkitzel beim Aufstieg atemberaubende Ausblicke.
Der Trail ist nur einigermaßen geübten Wanderern zu empfehlen. Für Kinder ist die Tour kaum zu bewältigen. Es empfiehlt sich, den Precipice Trail wie nachfolgend beschrieben vom Trailhead am Parkplatz aus anzugehen - einen steilen Berg rauf ist bekanntlich leichter als einen steilen Berg runter. Bei Regen oder Nebel sollte man sich die Route nicht vornehmen - so manch leichtsinniger Besucher ist schon von der glitschigen Wand in den Tod gestürzt. Und: von Mitte März bis Mitte August ist der Trail in der Regel gesperrt, um die dort brütenden Falken zu schützen. Genau Informationen findet man auf der Website des Parks und natürlich im Visitor Center.
Wie kommt man hin? Der Trail beginnt am entsprechend beschilderten Parkplatz direkt an der Park Loop Road, die als Einbahnstraße durch den östlichen Teil von Mount Desert Island führt. Vom zum Touristenzentrum Bar Harbor nächstgelegenen Parkeingang "Cadillac Mountain Entrance" folgt man mit dem Auto der Beschilderung Richtung Sand Beach. Der Parkplatz ist auf der rechten Straßenseite.
1058 Feet oder 328 Meter ist der Champlain Mountain hoch, benannt nach dem Entdecker, der vor 400 Jahren der Insel vor der Küste Maines den Namen „Isle de Monts Desert“ gab, weil darauf außer Pinien, Fichten, Birken und blanker Granitgipfel nicht viel zu finden war.
328 Meter klingt erstmal nicht allzu Furcht einflößend, zumal man die ersten 30 Höhenmeter geschenkt bekommt. Allerdings steht der Rest als senkrechte, scheinbar unüberwindliche Wand aus Granit nun vor uns. Es ist ein traumhafter Oktobermorgen. Das Laub leuchtet in den schönsten Gelb-, Rot- und Orange-Tönen und noch bevor wir loslaufen, entledigen wir uns unserer Jacken. T-Shirt reicht heute, denn der Trail liegt vormittags in der prallen Sonne.
Die Wanderung geht sozusagen sofort "von null auf hundert". Gemütlich warmlaufen ist nicht, vom Fleck weg steigt man in die Wand. Es geht über in Felsen gehauene Stufen und steile Pfade. Entsprechend drehen die Touristen, die nur mal schauen wollen, direkt wieder Richtung Auto um. Solides Schuhwerk ist Pflicht, also mindestens Turnschuhe mit guter Profilsohle. Besser: Wanderschuhe. Ausreichend Wasser mitzunehmen versteht sich von selbst.
Nach 700 Metern ist der Abzweig zum East Face Trail erreicht. Dieser Weg ist allerdings seit einem Erdbeben am 2. Oktober 2006 gesperrt gewesen, so auch noch bei unserem Besuch im Jahr 2008, mittlerweile aber als Orange & Black Path wieder begehbar. Wir halten uns links und steigen weiter bergan, wobei wir schnell Höhe gewinnen. Die Autos auf dem Parkplatz sehen schon bald wie Spielzeuge aus.
Holzstege, Eisentritte, Drahtseile, Leitern - auf dem folgenden Abschnitt kommen so ziemlich alle Hilfsmittel zum Einsatz, die man sich vorstellen kann. Nur anseilen muss man sich nicht. Schwindelfreiheit hilft aber ungemein auf dem teilweise nur 30cm breiten Pfad. Belohnt wird man mit tollen Ausblicken auf die Frenchman Bay mit ihren unzähligen Inselchen.
An einer Stelle müssen wir sogar unter gigantischen Granitblöcken durch eine Höhle klettern. Das macht richtig Spaß hier! Nach gut einer Stunde ist die ärgste Kraxelei überstanden und es geht zwischen kleinen Kiefern und Büschen und über blanken Fels die letzten Meter zum Gipfel. Tief unter uns liegt Bar Harbor. In der Bucht hat sehr dekorativ ein Kreuzfahrtschiff geparkt.
Vom Champlain Mountain erschließen sich verschiedene weitere Wanderwege. Nach Süden zweigt der Bear Brook Trail ab, mit dem sich der Precipice Trail mit dem nicht minder attraktiken Beehive Trail verbinden lässt. Nach Osten erreicht man über den Beachcroft Trail den Lake Tarn. Da auf dem Hochplateau ein eisiger Wind weht, machen wir uns rasch an den Abstieg Richtung Norden auf dem Bear Brook Trail. Der Weg ist gut markiert und führt recht gemütlich bergab.
Auch beim Abstieg eröffnen sich uns immer wieder tolle Ausblicke, wie zum Beispiel auf die Great Meadow und den Dorr Mountain. Nach ca. einer halben Meile halten wir uns rechts, um den Abzweig Richtung East Face Trail nicht zu verpassen. Da der wie gesagt gesperrt ist, steigen wir dann auf direktem Weg zur Park Loop Road ab.
An der Straße entlang geht es nun eine halbe Meile zurück zum Parkplatz. Das ist nicht unbedingt ideal, aber die leuchtend bunten Bäume am Straßenrand bieten genug zu schauen. Nach insgesamt 2,5 anstrengenden Stunden sind wir zurück am Auto.