Polizist mit Bauchrednerpuppe
Der Holz-Cop mit der Nummer ½
In San Francisco ging ab 1991 das schrägste Polizei-Duo der Welt auf Streife – Bob Geary mit Brendan O'Smarty, einer Holzpuppe in Uniform. Dem Polizeichef war das zu albern. Dann stimmten die Bürger ab.
ZitatAlles anzeigenÜber die Kneipenschlägerei sind keine Details bekannt. Vielleicht ein blaues Auge oder ein ausgeschlagener Zahn, vielleicht flogen auch ein paar Stühle. In der namenlosen Bar in San Francisco Anfang der Neunziger muss einer jetzt die Gemüter beruhigen – und Officer Brendan O'Smarty ist zur Stelle: ein stadtbekannter Polizist. Bisschen klein vielleicht, dafür mit umso größerem Mundwerk.
"Chill like a Popsicle", "kühlt euch mal runter wie ein Eis am Stiel", sagt O'Smarty zu den beiden verdatterten Streithähnen. Die denken nicht mehr ans Prügeln, sie liegen sich jetzt lachend in den Armen. Es kommt ja nicht oft vor, dass man von einer hölzernen Bauchrednerpuppe in Polizeiuniform zur Räson gerufen wird.
Gestatten, Brendan O'Smarty, hauptberuflich Polizist für spezielle Einsätze, und zwar stets auf dem Arm von Bob Geary. Nebenberuflich Stadtgespräch, Touristenattraktion, Hingucker – knapp 80 Zentimeter groß, Knollennase, Knopfaugen, alles aus Massivholz. Mehrere austauschbare Körper, aber nur ein Kopf. Und eine Kopfgeburt. Nämlich die des erfahrenen Polizisten Bob Geary.
Der ist schon Anfang der Neunzigerjahre ein echtes Urgestein seiner Polizeistelle, seit knapp 20 Jahre im Dienst, vierfach ausgezeichnet mit der Tapferkeitsmedaille, angesehen bei Kollegen und Bürgern. Und dazu ein Freigeist: Geary hat einen Bachelor in Kunst und einen Master in Pädagogik. Abseits der Polizeiarbeit verwirklicht er seine kreative Seite. So spielt er 1981 an der Seite von Don Johnson im Fernsehfilm "The Two Lives of Carol Letner", ein andermal schreibt er ein Theaterstück über die Frage, ob er schuldig sei, zu vielen Taxifahrern Knöllchen ausgestellt zu haben. Über die Aufführung redet San Francisco tagelang.
Die Polizei, dein Freund und Quatschmacher
Klare Sache: Geary ist kein Ottonormalpolizist, eher Typ Rampensau denn Paragrafenreiter. Einer, dem die Straße zugleich Bühne ist, solange niemand mit einer Waffe wedelt. Seine Stunde schlägt, als eines Tages der Polizeichef in einem Memo die Beamten auffordert, sich "kreative und geistreiche Methoden einfallen zu lassen, um die Barrieren zwischen der Polizei und der Gemeinde zu überwinden".
Geary grübelt eine Weile, dann macht er Nägel mit Köpfen. Bei einem Holzschnitzer in Colorado bestellt er eine Bauchrednerpuppe, maßangefertigt: Officer Brendan O'Smarty hat einen öffentlichen Auftrag, er wird die erste Bauchrednerpuppe im Polizeidienst, also braucht er alle Extras. Unterdessen kauft Geary drei Lernkassetten und bringt sich mit Walkman vor dem Badezimmerspiegel das Bauchreden bei.
Ein paar Wochen und 1750 Dollar später bekommt er seinen neuen hölzernen Partner. In Uniform, eine Polizeimarke mit der Nummer ½ auf der Brust, sogar mit eigens gefertigtem Dienstwaffenholster. Darin steckt eine Wasserpistole. Selbst die Biesen, die abgesteppten Falten auf der Hose, sind die gleichen wie auf der Uniform des San Francisco Police Departement.
Kreativ und geistreich, das kann man wohl sagen. Fortan fährt Officer Brendan O'Smarty mit auf Streife, und wenn es bei der Konfliktlösung hilft, nimmt Geary seine Puppe aus dem Wagen. Mit Erfolg. "Das alberne Holzgesicht der Puppe lässt Kinder kichern, beschwichtigt häusliche Auseinandersetzungen und ermutigte Obdachlose, Türeingänge zu verlassen", schreibt die "New York Times".
Natürlich weiß Geary, dass sein hölzerner Kollege nicht für jeden Einsatz taugt. "Brendan würde niemals jemandem eine Todesnachricht überbringen oder eine Vergewaltigungsanzeige aufnehmen", sagt er "SFGate". Der Mann ist schließlich Polizist, kein Clown. Wenngleich er sich auch im Doppelpack mit O'Smarty zu helfen weiß: Mindestens einen Verdächtigen bringt er mit Puppe auf dem Arm zu Boden.
Der Polizeichef will den Zirkus beenden
Der Bauchredner-Cop und seine großmäulig-liebenswerte Puppe – es ist eine Erfolgsgeschichte. Die Presse berichtet, die Leute lieben die Puppe, Geary hat seinen Spaß. Und O'Smarty bekommt sogar einen eigenen Spind auf der Dienststelle.
Nur dem neuen Polizeichef Anthony Ribera wird es zu viel: Er befürchtet, dass der Rummel Geary von seinen eigentlichen Aufgaben ablenkt und, schlimmer noch, die Autorität der Polizei untergräbt. Und so ordnet Ribera an, Geary möge sich in Zukunft jedes Mal eine schriftliche Genehmigung einholen, bevor er seine Puppe aus dem Polizeiauto holt. Das Ende des wohl eigenartigsten Polizeiduos in der amerikanischen Geschichte.
Oder doch nicht? Geary ist kein Polizei-Azubi mehr. Der Mann steht seit zwei Dekaden im Dienst und ist hochdekoriert, er lässt sich nicht herumschubsen. "Wie lächerlich", zitiert ihn die "New York Times", "dass man einem Polizisten zutraut zu entscheiden, wann er seine Waffe einsetzt, aber nicht, wann seine Puppe." Also initiiert er eine Unterschriftenaktion. Sie kostet ihn zwar mehr als 10.000 Dollar, bringt aber auch knapp 17.000 Unterschriften.
Damit kommt das Thema unter dem offiziellen Titel "Police Puppet" auf die Agenda des nächsten Bürgerentscheids. Dort steht am 3. November 1993 neben kommunalpolitischen Themen wie der Uniformierung von Taxifahrern, Zahnarztkostenerstattung für städtische Mitarbeiter oder der Ausgabe von Bildungsgutscheinen auch Gearys Anliegen:
"Soll es die Entscheidung der Bürger von San Francisco sein, dass Polizist Bob Geary allein entscheiden darf, wann er seine Puppe Brendan O'Smarty im Dienst einsetzt?"
Nicht jeder findet das witzig. "Ich will nicht über Puppen abstimmen. Ich nehme das Wählen sehr ernst", sagt eine Frau namens Joan Lewis der "Chicago Tribune". Dort kommt auch Liana Pella zu Wort: "Es ufert aus. Bald werden die Wähler gefragt, ob Hunde noch auf den Gehsteig pinkeln dürfen."
"Machen wir uns ein bisschen locker"
Die Stadt ist ebensowenig amüsiert. "Wir wollen nicht der Grinch sein, der Weihnachten klaut", so Noah Griffin, Sprecher des Bürgermeisters. "Aber die Abstimmung könnte ein gefährlicher Präzedenzfall sein. Der Nächste will dann auf Rollerskates zum Polizeidienst kommen, oder als Transvestit verkleidet."
Doch eine knappe Mehrheit der Bürger von San Francisco hat weniger Bedenken. Geary und O'Smarty gewinnen den Entscheid mit 65.768 zu 63.112 Stimmen. "Die Bauchrednerpuppe O'Smarty zeigt, dass man kein Hirn braucht, um eine Wahl in San Francisco zu gewinnen", spotten die "Dayton Daily News". Derweil lässt es Polizeichef Ribera gut sein. "Die Wähler haben gesprochen. Machen wir uns ein bisschen locker", sagt er tags darauf im Fernsehen.