Was gibt es Weihnachten?
Bei uns zu Hause gab es seit ich denken kann: Würstchen. Und zwar immer in derselben Komposition. Debreziner, Käsewurst und Geschwollene (Wollwürste) Wenn man von Letzterem nur ein Gramm zu viel gegessen hat, dann war einem schlecht bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag. Aber ich freute mich jedes Jahr darauf, die vorweihnachtliche Wurstbestellung bei meinem Papa abgeben zu können. Nämlich eine Debreziner, eine Käsewurst und eine Geschwollene. Für meine Mama gab es die obligatorische Wiener. Solidarität zu der auch von ihr übers Jahr geliebten Wienerwust? Da mein Papa sowieso immer beim Metzger so einkauft, als würden noch spontan die Weihnachtsbläser zum Heiligabendessen vorbeischauen, musste meine Mutter sowieso immer noch von den gefährlichen Wollwürsten essen. Eventuell hat sie, rückfolgend betrachtet, deswegen jedes Jahr nur eine Wienerwurst bestellt.
Ich kann mich noch an ein Weihnachtsfest erinnern, da wollte der Christmas-Food-Operator, also mein Papa, mal etwas anderes ausprobieren. Er ist sogar deswegen nicht in die Kirche gegangen. Man muss dazu sagen, mein Vater ist streng katholisch, geht jeden Sonntag in die Kirche, nur damaliges Weihnachten nicht. Forelle sollte es geben. Ungeduldig saß ich damals im Wohnzimmer und wartete mit Freude auf den Fisch. Mensch, eine richtige Weihnachtsrevolution war das damals. Das Timing war leider nicht einwandfrei abgestimmt, so bekam ich noch bevor meine Mutter aus der Kirche kam, den ersten Fisch serviert. Ungläubig schaute ich meinen Vater an, war das noch ein Stilbruch? Wir essen nacheinander? Ich schaute auf den traurig aussehenden Fisch auf meinem Teller. Papa war währenddessen in der Küche am Rangieren und dabei die restlichen zwei Forellen zu braten. Dass er des weihnachtlichen Frühlings geschuldet, die Beilagen vergessen hatte, fiel mir erst jetzt auf.
Mit der Gabel stocherte ich in der Forelle und nahm in aller Einsamkeit einen Bissen. Während ich den Fisch im Mund hin und her schob, fragte ich mich, ob Forelle so schmecken soll, säuerlich. Nach drei weiteren Bissen beschloss ich für mich, dass ich zu den Plätzchen übergehen werde. Der Food Operator wurde benachrichtigt, der mit Skepsis und nicht vorhandener Kritikfähigkeit meinen Fisch betrachtete. Erst nach der Nachverkostung kamen wir beidseitig zum Ergebnis. Der Fisch, den Papa von einem Kunden, der eine Fischzucht betrieb, geschenkt bekommen hatte, hatte wohl schon länger das Wasser nicht gesehen. Papas Versuch, den Haustieren das weihnachtliche Mahl noch anzudrehen, scheitere kläglich. Hund und Katze lehnten dankend ab.
Als meine Mama zwanzig Minuten später aus der Kirche kam, fand sie ihre Familie am geschmückten Weihnachtstisch mit Debreziner, Käsewurst und "Geschwollene" und natürlich der obligatorischen Wienerwurst, vor. Mein Vater hatte tatsächlich ein Backup. Von daher an, gab es Heiligabend keinerlei Experimente mehr. Höchstens an Silvester, da hatten wir nochmal einen kleinen Ausrutscher mit Krabbencocktail. Wem wir jetzt kopfschüttelnd leidtun, da wir jedes Jahr Würstchen essen müssen, dem darf ich sagen, dass es bei uns immer erst am ersten Weihnachtsfeiertag zum Mittagessen die Ente, die Gans oder den Rinderbraten gibt.
Dies ist schon lange her, aber ich denke jedes Jahr an Weihnachten immer an diese Geschichte. Manchmal erzählen wir sie uns auch und lachen darüber. Wenn ich heutzutage also die 600 Kilometer im Winter ins tiefste Bayern zu meinen Eltern schaffe, dann bestelle ich für Heiligabend: Eine Debreziner, eine Käsewurst und eine Geschwollene.
Und was gibt's bei Euch zu Weihnachten?