Habt Ihr alle Eure Schuhe schön geputzt? Heut' zum Nikolaus gibt's das große Finale!
16. Tag
Der Morgen beginnt sehr zeitig. 4:30 Uhr! Wir kratzen die letzten Krümel Kaffeepulver zusammen und schlürfen zum Aufwärmen eine Tasse Kaffee. Zum Essen haben wir nur noch einige Powerriegel (Bars!). Das sollte reichen. Draußen ist es noch stockdunkel. Und verdammt kalt. Die Hiker, die neben uns gecampt haben, sind schon vor einigen Stunden aufgebrochen. Sie wollten zum Sonnenaufgang auf dem Whitney stehen. Wir gehen es etwas ruhiger an. Nachdem wir unsere gesamte Habe wieder in die Rücksäcke verstaut haben, brechen wir auf. Wir haben unsere Wintergarnitur angezogen. Soll heißen Funktionsjacke mit Fleeceinlay, Langarm-Funktionsshirt und T-Shirt drunter. Auf dem Kopf ein Schaltuch und den Hut. Erstmalig wurden auch die (fingerlosen) Handschuhe benötigt. Der Wind blies ganz schön kalt. Und damit wir den Trail überhaupt sehen konnten, hatten wir natürlich unsere Stirnlampen um.
Die erste Meile folgte der Trail um die Ostseite des Guitar Lakes und stieg dann allmählich an. Die Steigungen durch ein Geröllfeld begannen. Wir mussten ziemlich aufpassen, dass wir mit unseren Stockspitzen nicht zwischen die Felsbrocken gerieten. Das hätte nämlich dumm ausgehen können. Für den Stock ... und für den - der stürzt. Es begann zu dämmern und so langsam zeigten sich die ersten Sunbeams auf den westlichen Berggipfeln. Was für ein Ausblick. Jetzt sahen wir erst, wie hoch wir schon gestiegen waren. Die Kontur des Guitar Lakes konnte man nun sehen. Vor uns lagen noch abertausende Switchbacks ... jetzt nur nicht schlapp machen. Nach etlichen (Atem-)Päuschen, erreichten wir unser erstes Etappenziel: Die Trail Crest Junction in 4100 m Höhe. Rechts entlang ging's über den Trail Crest (Pass) zum Whitney Portal und damit wieder in die Zivilisation. Links entlang führte der Trail zum Ziel: "Top of Mt. Whintey"!
Auf einem kleinen Plateau lagen schon etliche Rucksäcke. Kleine und Große. Die großen gehörten wohl zu "JMTlern", die kleinen zu den Tages- und Zweitageswanderern, die den Whitney vom Portal aus bestiegen. Wir legten unsere dazu und nahmen nur einige Snacks mit. Somit mussten wir die letzten 300 - 400 Höhenmeter nicht mehr den ganzen Ballast mitschleppen. Nach einem kurzen Päuschen und etlichen Fotos gingen wir weiter. Die Sonne schien nun schon über das Bergmassiv und ließ das Tal - im Rücken des Mt. Whitneys - erstrahlen. Ich war schon überrascht, wie viele Leute sich auf den Weg zum Gipfel machten. Die ersten Hiker kamen uns vom Gipfel aus entgegen. Darunter auch unsere gestrigen "Nachbarn". Sie schwärmten vom Sonnenaufgang auf dem Gipfel ... naja, man kann nicht alles haben. Beim nächsten Mal - vielleicht.
Zwischen der Trail Junction und dem Gipfelplateau ist der Weg sehr, sehr schmal. Teilweise muss man über Felsbrocken klettern und darf dabei nicht nach unten sehen. Da geht's ganz schön runter. Ich bin eigentlich schwindelfrei, an einigen Stellen bekam ich jedoch auch weiche Knie. Dazu kommt noch die dünne Luft und der zunehmende Verkehr auf dem schmalen Trail. T. beschloss jedenfalls nicht bis zum Gipfelplateau weiterzugehen, sondern wollte lieber schon in Richtung Whitney Portal laufen. Na gut. Ich wollte die letzte Meile noch vervollständigen und ging weiter.
Vorbei an den "Needles", die man auch schon von Lone Pine aus erkennt, nähert man sich dem Plateau. Zwischendurch immer wieder fantastische Aussichten auf die Täler und Berggipfel im Westen und - zwischen den Spalten am Rim - auf das Owen Valley und die White Mountains im Osten. Auf dem Plateau - was sich ebenfalls als riesiges Geröllfeld entpuppte - führt der Weg geradewegs zur Schützhütte auf dem Gipfel. Obwohl der Weg dort nicht sehr steil war, musste ich doch öfters stehenbleiben, um meinen Atem zu regulieren. Aber ich habe ja Zeit. Die Sonne schien, über mir ein azurblauer Himmel und ringsum Berge, Täler, Seen ... und ich stand oben. Am Ziel. Auf dem Mount Whitney! In 4421 Metern Höhe. Ich hätte schreien können vor Glück! Jahrelange Vorbereitung, Recherchen, Planung, Familie nerven ... und jetzt war es soweit. Und damit vorbei. Ich könnte ja wieder umdrehen ... zurück ins Yosemite Valley. Roundtrip sozusagen. Ok, ich lasse die Flausen, ich habe weder Nahrung noch Zeit ... und freue mich auf Burger, Beer und 'ne Matratze.
Rund um den Gipfel tummeln sich dutzende Menschen. Einzelne Hiker ("Can You Make A Picture Of Me?"), kleine Grüppchen ("Can You Make A Picture Of Us?") und eine Gruppe verrückte Hühner von der "Walla Walla University", die ich in allen möglichen Posen fotografieren sollte ... was ich natürlich gerne tat (Eines der Hühner: WWU).
Durch die Sonne war mir sehr warm, jedoch waren die Gesteinsbrocken zum Teil überfroren. Wie eine Gemse hüpfte ich von Fels zu Fels und machte Fotos in alle Richtungen. Lone Pine, unser heutiges Tagesziel lag mir - wenn auch im Dunst - zu Füßen. Nach der Fotosession ging ich zur Schutzhütte und schaute mir die Räumlichkeiten an. In dem Raum war nichts. Nur ein Holzfußboden. Dafür ein Hinweisschild, dass man diesen nicht klauen oder zerstören sollte. Mmh! Wegen Blitzen und so. Aha!
Es folgte nun das Ritual, des "Sich-ins-Gipfelbuch-eintragens". For what? Keine Ahnung, macht aber jeder ... ich demzufolge auch.
So, nun hieß es Abschied nehmen vom Gipfel ... ich ging schnurstracks in Richtung Trail Crest Junction, bergab war ich wesentlich schneller, musste allerdings den, immer öfter entgegenkommenden, Wanderern ausweichen (Was wollen die denn alle hier?) und schnappte mir meinen Rucksack. Boah! War der schwer! Gerade zwei Stunden ohne Rucksack auf dem Rücken gelaufen ... und schon verweichlicht? Die allerletzten Höhenmeter wurden noch einmal zur Tortur. Den JMT hab' ich seit der Junction verlassen. Jetzt muss noch der höchste Pass der gesamten Strecke gemeistert werden. Der Trail Crest ist 4150 m hoch - somit überragt er den Forester Pass um einiges. Von nun an ging es nur noch bergab. Ich wurde "geswitchbacked". Die steilen Serpentinen, die sich talwärts schlängeln, tragen nicht umsonst den Beinamen: "99 Switchbacks". Gezählt hab' ich die nicht ... aber es waren viele. Sehr viele.
Nach gut einer Stunde downhill traf ich T. wieder. Vielmehr stolperte ich fast über ihn. Während ich dem höchsten Berg der "Lower 48" dem Kampf ansagte, hielt er schon seit einigen Stunden Siesta. War also gut ausgeruht.
Nun ging es weiter bergab ... durch wunderschöne Täler, entlang an einem sehr schönen Flüßchen und kleinen Wasserfällen ... in Richtung Whitney Portal. Wer in der Gegend ist sollte mal eine kleine Wanderung vom Portal aus unternehmen. Wenn es in Lone Pine sehr heiß sein sollte ... hier oben kann man sich gut abkühlen. Die Strecke zog sich wie Kaugummi. Uns war verdammt heiß, unsere Füße taten weh ... wir wollten Burger & Beer! Wir erblickten die haarnadelige Straße (Asphalt! = Zivilisation!) die zum Portal führt ... aber sie schien vor uns wegzulaufen.
Irgendwann ... keine Ahnung, wie lange wir benötigt haben - standen wir vor dem Store. Und orderten: Burger & Beer! Uaaahhh!
Damit endet unsere kleine Wanderung! ...
16. Tag = 26,9 km / Höhenmeter = +884 / -1871
Coming soon: Was danach passierte!
Auf zur Nachtschicht
Ich ... in Wintergarnitur
Der Guitar Lake (Mitte) liegt noch im Schatten
An der Trail Junction
Braucht jemand 'nen Rucksack?
Blick nach Süden ... rechts der Mitte erkennt man den Trail
Der erste Blick auf das Gipfelplateau und die "Needles"
Irgendwo dort oben ist die Schutzhütte
Gleich da!
Geschafft!
So weit oben war ich noch nie (ohne Flugzeugs)!
Blick nach Westen
Blick nach Osten auf das Owens Valley und die White Mountains
Der Guitar Lake
Hier beginnen die "99 switchbacks"
... schon etwas "geswitchbacked"
Blick zurück: links "Mt. Muir", rechts "Mt. Whitney"
Den hab' ich gesucht!
So endete der Tag! Wie das passierte, erzähle ich später.
... to be continued ...