Sommer 2012...wieder rote Steine...ein (fast)-Livebericht


  • Prolog


    Normalerweise findet die Phase der intensiven Reisevorbereitung ca. 4 Wochen vor Reisebeginn statt. Da wird die Grobplanung zur Feinplanung.
    Doch dieses Jahr soll alles anders werden.
    Seit Mitte Mai ist unsere gesamte Aufmerksamkeit auf den besorgniserregenden Gesundheitszustand meiner Mutter fokussiert...Noch Anfang Mai ist im Krankenhaus von einer Neueinstellung ihrer Tabletten die Rede... doch der Krankenhauskeim erwischt sie so stark, daß sie zum Pflegefall wird. Dann wird sie in der 2.Juniwoche wegen Untherapierbarkeit aus dem KH entlassen. Es folgt eine Odyssee...in der Palliativklinik des Chemnitzer DRK-KH finden wir einen Platz für sie, wo sie mit viel Liebe und größter Hygiene den, sie schwächenden, Keim los wird. Eine Hiobsbotschaft folgt der anderen. Erst heißt es einen Pflegeheimplatz auf die Schnelle zu finden...dann fällt ihr Gesundheitszustand so stark ab, daß nur noch ein Hospiz ihre letzte Ruhestätte werden kann.


    Samstag vor Urlaubsbeginn
    Wir düsen wieder mal nach Chemnitz. Man sagt mir, daß es die letzten Tage in ihrem Leben sind. Ich fühle mich nicht nur traurig sondern ohnmächtig als ich sie sehe. Ihr körperlicher Zustand ist dramatisch...aber geistig ist sie noch voll da. Bei der Verabschiedung versprechen wir ihr während dem Urlaub im ständigen, telefonischen Kontakt zu bleiben. Bevor wir am Donnerstag in den USA-Urlaub starten, will ich sie aber noch am Dienstag mit einem letzten Besuch überraschen.


    Dienstag
    Ich bin erstaunlich früh fertig und könnte schon um 8.00Uhr starten...7.40Uhr erhalte ich den befürchteten Anruf aus der Palliativklinik...“Ihre Mutter hat es geschafft...sie ist für immer eingeschlafen...“
    Meine „Überraschung“ kam zu spät!!!
    Ich fahre wieder nach Chemnitz. Die folgenden Stunden gehören zu den Schwersten in meinem Leben. Ihr Zimmer ist sehr würdevoll geschmückt. Überall brennen Kerzen. Erst sitzt die Ärztin mit mir am Bett...dann kommt eine Psychologin um mir über die nächsten Stunden zu helfen.
    Jetzt spüre ich, was es heißt wenn andere sagen: man funktioniert nur noch! Alles läuft automatisch ab...ohne daß ich wirklich dabei bin.


    Am liebsten möchte ich den geplanten Urlaub einfach ausfallen lassen. Mir gehen die Worte der Psychologin durch den Kopf...meine Mutter sagte ihr am Tag zuvor, daß sie keine Last mehr sein will und deshalb loslassen will. Hm, kann ein Mensch das so gut regulieren?
    Was für eine Trauer.


    Gegen 21.30Uhr bin ich wieder in Berlin.


    Mittwoch
    Ich bin schon sehr früh wach...ich weiß nicht wo mir der Kopf steht! Ich arbeite bis zum Nachmittag meine geplanten Termine ab...schreibe dann noch die Traueranzeigen.
    Am frühen Abend packe ich völlig leidenschaftslos ein paar Sachen ein...gutes Schuhwerk und die ganze Technik sind eh das Wichtigste... den Rest kann man ja kaufen! Unsere beiden Koffer sind gerade mal halbvoll.
    Kurz nach Mittagnacht fallen wir völlig erschöpft ins Bett...was für ein Urlaubsbeginn!





    Anreise


    Wir sind schon vor dem Wecker wach.
    Frischmachen, "Schrottoschino" trinken und ab geht es zum Flughafen.
    Die Zeit bis zum Abflug verbringen wir in einem Restaurant mit einem überteuerten Prosecco. Aber das brauche ich jetzt einfach!


    Wir fliegen von Berlin nach Newark mit einer B757-200. Die Maschine ist einfach nur laut! Wir sitzen ganz komfortabel in Reihe 8, in der Economy-Plus Abteilung, wo der Sitzabstand so groß ist, daß selbst Rainer, mit seinen langen Beinen, noch eine Handbreit Platz hat bis zur Rückenlehne des Vordermanns.
    Der Flug ist recht ruhig. Hinter mir sitzt ein knapp Dreijähriger, dem nix mehr Spaß macht als das Treten gegen meine Lehne...oder schaut er sich nur so aufregenden Filme an? Denn seine Mutter ist jedenfalls damit beschäftigt, während des gesamten Fluges, ihr Leben ihrer Sitznachbarin in voller Lautstärke zu erzählen...Meine Nerven liegen nicht blank...sie scheinen schon gerissen zu sein, sonst hätte ich die da angebrüllt!


    Wir landen eine dreiviertel Stunde früher und das obwohl wir sowieso schon unmögliche 4,5Std Aufenthalt in Newark bis zum nächsten Abflug haben.
    Am UAL-Serviceschalter versuchen wir auf den früheren Flug umzubuchen. Klappt aber nicht!


    Ok. Wir kriegen den letzten Tisch in der Heineken-Lounge. Wir sitzen direkt vor einen TV und genießen das frischgezapfte Bier...noch 4Stunden...doch dann erscheinen auf der Mattscheibe Gesichter die wir kennen...



    Michael Ballack moderiert mit 3 anderen Keksperten bei ESPN, interviewt dann auch noch Klinsi...und ja, unsere Stimmung steigt...
    “Mei bin i guot“ habe ich das nicht gut geplant Wir schauen uns das gesamte EM-Spiel Deutschland-Italien an. Die Bar ist knacke voll. Deutschland- und Italienfans machen die Stimmung...die meisten jedoch klatschen einfach völlig neutral für die Besseren.


    Als das Spiel zu Ende ist, gehen wir zum Gate und borden... Das war mal optimal genutzter Aufenthalt :thumbup:



    ...ein kurzer Blick aus'n Flieger...die neue Skyline von NYC ist im Entstehen..


    In der B737 sitzen wir wieder sehr bequem in Reihe 8. Der Flieger scheint neuerer Bauart zu sein. Die Klimaanlage funktioniert super...zu super. Wir frieren. Eine Decke gibt es nicht, denn die gibt es nur für Firstclassflieger. Na klasse. Genau das will man hören! Ich schnappe mir eine Zeitung und decke mich mir die Beine ab...machen doch Obdachlose nicht anders.




    ...Flughafen Denver mal von oben...


    Kurz vor 8pm landen wir in Denver.
    Die Auswahl bei Alamo ist nicht mehr so groß. Kein Problem für uns, denn wir verlieben uns sofort in einen Jeep Grand Cherokee, der gerade mal 6.000 Meilen "alt" ist.


    Beim Einchecken im Doubletree Denver werden wir noch einmal so richtig wach!
    Der Typ an der Rezeption findet unsere Reservierung nicht. Ist ja kein Problem...ich hole meinen Hefter raus, übergebe meine ausgedruckte Reservierung...und bin vollkommen entspannt:


    ...er meint zu uns: „...die Reservierung sei für den 28. Juli...“
    darauf wir: „ na heute ist doch der 28.“...
    darauf er:“ ja aber wir haben jetzt Juni“...


    Das fängt ja nicht schlecht an. Der Typ verschwindet und kommt mit seinem Frontdeskmanager wieder raus. Offensichtlich sehen wir so fertig aus, da traut sich keiner mehr, uns wegzuschicken... Wir kriegen zum gleichen Preis ein Zimmer in der Honoretage.


    Jaaa, das ist ja noch einmal gut gegangen (:peace:)
    Nachdem wir uns frisch gemacht haben, genießen wir die „complementary“ Doubletree-Cookies, trinken ein Käffchen und schlafen dann den Schlaf der Gerechten!

  • Hallo Muhtsch,


    mir kullern die Tränen bei Deinem Bericht - es tut mir so leid für Euch! Worte können kaum trösten bei so einer Geschichte. Deswegen will ich auch gar nicht mehr sagen als "Ich denke an Euch!".


    LG Andrea

  • Hallo,


    zuerst mal mein Beileid.


    Ich hoffe ihr könnt den Urlaub ob der Umstände ansprechend genießen.


    Mögen euch Landschaft und Wetter wohlgesonnen sein und das ihr durch die Feuer im Süden nicht allzu sehr eingeschränkt sein werdet.


    Grüße aus Südkirchen


    Waldi

  • Hallo Mutsch...
    Das ist echt heftig. Mein aller grösstes Beileid.


    Ich hoffe, Ihr könnt im Urlaub doch abschalten und es geniessen.


    Die Traurigkeit wird immer wieder kommen, aber vielleicht hilft es ja
    zu denken, dass Deine Mama von "oben" Euch begleitet.


    Ganz liebe Grüsse
    von
    Simone

  • Zuerst einmal mein Beileid.


    Ob es ein Trost weiß ich leider nicht, aber Deine Mutter hat Ihren Frieden gefunden und konnte auch deswegen gehen, weil Ihr sie gelassen habt.



    Ich hoffe, dass Ihr Euren Urlaub trotzdem genießen könnt und vielleicht gerade durch die räumliche Entfernung die Zeit findet, die ein oder andere schöne Erinnerung an Deine Mutter aufleben zu lassen.


    Liebe Grüße


    Raffi

    [size=18]USA 2009, USA 2012
    [size=10]Bei Stammtischtreffen nette Leute getroffen....

  • Und gestern habe ich noch an die Geschichte Deiner Mutter gedacht, als ich einen Bericht über Pfusch in Kliniken gesehen habe... Tut mir sehr leid. Aber irgendwie doch auch tröstlich, dass sie nicht all zu lange mehr hat leiden müssen und offenbar ihren Frieden gefunden hat.


    Ich wünsche Euch, dass Ihr Eure Reise trotzdem genießen und einfach mal abschalten könnt. Schön, dass Du uns mitnimmst. :winken:

  • Liebe Mutsch,


    herzliches Beileid auch von mir, vermutlich kann es dir im Moment niemand so nachfühlen, wie ich. Wir stehen vor der gleichen Situation. Am Sonntag soll - und wird - es in den Urlaub gehen, davor sind tägliche Hospizbesuche beim Onkel meines Mannes angesagt. Da die Eltern meines Mannes früh verstorben sind und der Onkel keine Kinder hat, ist er zum Ersatzvater für meinen Mann geworden. Die Tage jetzt sind fürchterlich, das Warten anstrengend, die Stimmung getrübt.


    Dennoch oder vielleicht gerade deswegen haben wir - du und ich - uns diesen Urlaub total verdient. Es wird uns Kraft geben, das Kommende zu schaffen, wir brauchen die Energie und die Abwechslung und daher wünsche ich dir einen Urlaub, der so toll wird, wie es unter diesen Umständen möglich ist. :kuss:

  • hallo muhtsch....alles gute für Euch...ich denke die Reise wird euch gut tun...wünsche Euch entspannung und das Ihr etwas zur Ruhe kommt. passt auf Euch auf...LG. Mike :winken:

  • Auch von mir herzliches Beileid. Was für ein trauriger Beginn für Euren Urlaub. Versucht trotzdem Euch zu erholen und etwas abzuschalten.


    Elke

  • Laß Dich erstmal in die Arme nehmen liebe Sylwia...
    und von ganzem Herzen unser tiefstes Beileid übermitteln.


    Oh Gott ist das heftig.
    Dein Intro geht wirklich ans Eingemachte.


    Danke für Deine ehrliche Offenheit.


    Erholt Euch beide so gut es geht.
    Passt auf Euch auf.


    Iris und Günter

  • Vielen Dank allen für die tröstenden Worte!
    Tatsächlich bin ich froh, daß wir die Reise angetreten haben...so bin ich abgelenkt von der wunderschönen Natur und dem bisherigem Traumwetter.



    Geplante Gesamtroute für diesen Urlaub:



    Tag 1: Denver- Moab


    Nach einem typisch amerikanischen Frühstück im Hotel fahren wir noch zu Safeway...kaufen 2 Paletten Wasser, Sonnencreme und dieses Jahr mal keinen Cooler...



    ...ein Blick aus dem Hotel auf Denver...


    Wir verlassen Denver auf der I70 Richtung Westen mit Ziel Moab.
    Schon im letzten Jahr habe ich vom Hanging Lake als Unterwegsattraktion gelesen, der irgendwo auf der Strecke Denver-Grand Junction sein soll. Eine Abwechslung und etwas Bewegung tun der langen Strecke gut.
    Nach ca. 1.5Std erreichen wir den Exit 125 (Grizzly Creek). Dort werden wir, aus Osten kommend, zurückgeführt bis zum Exit 121 (Hanging Lake). Der Parkplatz ist gut besucht...ein Geheimtip scheint es nicht zu sein. Ein Schild weist darauf hin, daß der Wanderweg als „difficult“ einzuordnen ist. Hm. Merkwürdig ..uns kommen ganze Familien entgegen...jung und alt. Als wir starten ist es 12.00Uhr also volle Mittagshitze und momentan bewegen wir uns temperaturmäßig bei 38°C.
    Die ersten Meter sind asphaltiert...



    ...dann kommt eine recht anstrengende und sehr steile und steinige Tour die teilweise auch im Schatten entlang führt.



    Trotzdem ist der Weg recht schweißtreibend. Denn ab Beginn des unbefestigten Weges bis zum See, gilt es eine ungefähre Luftlinie von 800m aber eine Steigung von 1854m auf 2204m über NN zu überwinden.
    Ab der 2.Hälfte der Strecke brauche ich immer öfter eine Pause. Steine zum Sitzen gibt es genug.



    Rainer rennt die letzten hundert Meter schon mal vor, um zu schauen ob es sich lohnt. Ich schleiche von Stein zu Stein. Und während ich mich wieder einmal ausruhen muß, sehe ich wie sich eine Schlange aus einem Loch in ein anderes schlängelt.



    Boah! Ab sofort sind Steine tabu!
    Dann kommt Rainer schon wieder zurück und versucht mich aufzumuntern: „es sind noch maximal 5min...“ und zeigt mir den noch kommenden Weg ...und zeigt irgendwo in den Himmel...Ok. Das kriege ich noch hin...
    Oben angekommen sind alle Anstrengungen vergessen... ein Traumanblick.
    Ein Glück, daß hier Baden und Angeln verboten ist. Es reicht schon ein im Wasser schwimmender Stamm ... da müssen ein paar Respektlose auf diesem balancieren um ein Sch...Foto mit einem Smartphone zu machen... Naja.







    ...Blick in die Schlucht aus der wir gekommen sind...


    Der Rückweg ist nicht minder anstrengend. Die Knie werden auf’s Maximale strapaziert.



    ...hier taucht die I70 in einen Tunnel...


    Ziemlich „erledigt“ fahren wir weiter.
    Unterwegs sehen wir immer wieder Rauchfahnen und irgendwann auch ein paar Wildfire...




    In Grand Junction kehren wir im Outback ein und essen unsere ersten Victorias Filets...Das gibt wieder Kraft für den letzten Teil unserer Fahrt.
    Ab Grand Junction ist die Strecke so ziemlich trostlos und öde.


    Am Exit 204 biegen wir auf die wunderschöne und von uns immer wieder geliebte UT128 ein.
    Der Colorado hat einen extremen Tiefstand. Es gibt Unmengen an Sand-und Geröllbänken.



    Die Fisher Towers sagen vom Weiten „Hallo“...aber wir wollen nur noch ins Hotel, denn unsere Klimaanlage macht Faxen. Wir hoffen nur, daß es ein vorrübergehendes Problem ist.
    Gegen 7pm checken wir ins Moab Valley Inn ein.


    Gefahrene Kilometer: 373 mi = 600km

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