(oder: "Sind Schotten eigentlich wasserfest?")
Nachdem meine letzte Fernwanderung nun schon einige Jahre zurückliegt (manche von Euch erinnern sich vielleicht noch an meinen Wanderbericht vom John-Muir-Trail), mein Rücken nicht mehr schmerzte, es meinen Füßen unterm Schreibtisch viel zu gut ging, beschloss ich, in diesem Jahr wieder eine längere Wanderung zu unternehmen. Bloß wohin? USA würde mich reizen, dafür gab’s jedoch kein „OK“ von der besseren Hälfte (Bessere Hälfte = Finanzministerin). Außerdem standen mir nur ein paar Tage zur Verfügung, so dass das ohnehin unrealistisch wäre.
Mit meinem Wanderkumpel T. hatte ich mir schon vor einiger Zeit diverse mögliche Trails angesehen. Eine Überlegung wert waren u.a.: die Route Merano – Gardasee, der Malerweg in der sächsischen Schweiz, der Hadrian’s Wall Path in Nordengland oder der John Muir Way in Schottland. Ja, die Schotten haben auch einen Muir-Trail. Der gute John war ja geborener Schotte. Allerdings bietet der Weg keine großen Anforderungen und somit ist der Trail was für alte Herren. Ähnlich verhält es sich mit dem Hadrian’s Wall Path. Die Höhenprofile der Routen sahen wenig ansprechend aus und etwas „auspowern“ wollten wir uns ja doch. Da der Monat Mai sich als angestrebter Wanderzeitraum herauskristallisierte, strichen wir auch noch die Alpenwanderung. Das wäre mir wettertechnisch zu unsicher für die geplanten Zeltübernachtungen. Der Malerweg ist sicherlich toll, allerdings ist es an den Fernwanderwegen in Deutschland oftmals nicht ohne weiteres möglich, sein Zelt in der Pampa aufzuschlagen. Und in Sachsen wäre ich da ohnehin vorsichtig. Wegen der Wölfe und diverser Springerstiefelträger.
Also guckte ich mir nochmals die Karte der britischen Inseln an und entdeckte doch tatsächlich eine wanderbare Gegend in Schottland, die sich die „Highlands“ nennt. Und dort gibt es den “West Highland Way”. Dieser führt von Glasgow nach Norden bis Fort William und ist ca. 150 km lang. Das Höhenprofil sah schon etwas anspruchsvoller aus, die Fotos vom Trail, die wir im Internet fanden, sprachen für sich. Tolle Landschaften. Gebongt! Mitte Mai 2017 geht’s auf den West Highland Way! Aber: Nachdem alles schon soweit geplant war, teilte mir T. mit, dass er in der geplanten Woche doch nicht mitwandern kann, da er nach wie vor an seiner Karriere als Rockstar arbeitet und genau in dieser besagten Woche einen Auftritt mit seiner Band hat. Shit! Nur hatte ich mich schon intensiv auf das Abenteuer vorbereitet und somit wurde das Vorhaben zu einer One-Man-Show. Es kann nur einen geben: MacNick wird zum Highlander!!!
Da ich vorher noch nie in Schottland war, musste ich mein Wissen erst einmal auf Vordermann bringen. Was wusste ich über Schottland? Dort gibt’s Whisky. Und Männer, die gerne Röcke tragen. Und Säcke, auf denen gedudelt wird. See heißt dort Loch und in manchen der Löcher wohnen Ungeheuer. Castles gibt’s dort auf allen Bergen und viele Schafe blöken drum herum. Ab und zu soll’s auch mal regnen.
Ich recherchierte in diversen Wanderforen und lernte, dass es in Schottland häufiger regnen kann – mitunter auch ganztägig. Tagelang. Und wenn es nicht gerade regnet wird man von kleinen beißenden Mücken, die der Schotte liebevoll „Midges“ nennt, gebissen. Die Biester sollen gerade nach Regengüssen zu hunderttausenden auftauchen und versuchen, dem gemeinen Wanderer das letzte Tröpfchen Blut auszusaugen. Dabei sind die so klein, dass normale Mückennetze – wie wir sie aus unseren Breitengraden kennen – gar nichts nützen. Und über Autan lachen die sich kaputt.
Es herrscht wohl auch bei den Schotten ein Glaubenskrieg, was tatsächlich gegen die Midges helfen soll. Angeblich soll eine Hautlotion der Marke “Avon” die Biester fernhalten … andere schwören auf ein Mittel namens „Smidge“. Der gemeine Schotte lässt sich allerding beißen (die beißen nämlich und stechen nicht) und gewöhnt sich somit langsam an den Juckreiz. Was habe ich mir also gegen die Midges besorgt? Gar nichts! Ich wollte es den Schotten gleich tun und die Dinger einfach ignorieren.
Regen! Da mein Equipment noch auf der mehr oder weniger trockenen Sierra-Nevada-Wanderung basierte, fehlte mir ein praktikabler Regenschutz. Ich entschied mich für einen Poncho, der einen Buckel im Rückenbereich hat und den Rucksack gleich mit abdeckt. Das Konzept gefiel mir. Fand ich besser, als ständig Regenjacke und Hose zu wechseln. Was nützt es, wenn die Sachen von außen zwar gegen Regen geschützt sind, man jedoch darunter im eigenen Saft schmort.
Ich besitze nur ein paar recht einfache Wanderschuhe, die – entgegen der Werbeaussage – definitiv nicht wasserdicht sind. Und in Schottland soll’s ja gelegentlich regnen. Also bestellte ich mir noch ein Paar wasserdichte Socken. Ja, richtig! Wasserdicht! Ich habe diverse Rezensionen über diese Socken gelesen. Sie sollen tatsächlich halten, was sie versprechen. Man kann sich mit denen sogar in die Badewanne setzen ohne nasse Füße zu bekommen – natürlich bleiben die Füße dann dreckig. Und vom Tragekomfort sollten sie auch noch gut sein. Mal sehen.
Außerdem bestellte ich mir noch ein paar einfache Gamaschen, damit das Wasser nicht von oben in den Wanderschuh laufen kann.
Einen günstigen Flug fand ich bei Ryanair. Von Schönefeld direkt nach Glasgow, dem Startpunkt des Trails. Das heißt, der eigentliche Startpunkt befindet sich in einem Vorort von Glasgow. Milngavie. So wird’s geschrieben. Gesprochen wird’s gaaanz anders. Ungefähr so: „Muhlgai“. Die meisten Ortsbezeichnungen stammen aus dem Gälischen und sind selbst für die nicht gälisch geprägten Briten unaussprechlich.
Mit dem neu erworbenen Equipment unternahm ich, gemeinsam mit einem Kumpel, eine einfache Brockenbesteigung. Unterwegs regnete es, so dass ich den Poncho und die wasserdichten Socken testen konnte. It works fine! Trotz Stampfen durch Schneefelder und durchnässter Schuhe blieben die Füße trocken. Der Poncho verrichtete seine Arbeit auch sehr gut, nur das Überstreifen mit aufgesetztem Rucksack musste noch geübt werden. Es sah wahrscheinlich sehr amüsant aus, als ich versuchte, mir bei Wind und Regen das riesige Segel über den Kopf und Rucksack zu ziehen.
So nun geht’s los. Am Sonnabend vor dem Männertag fuhr mich meine liebe Frau (= bessere Hälfte aka Finanzminister) nach Schönefeld auf den Flughafen, schmiss mich direkt vor dem Terminal aus dem Auto, denn Parken war dort sündhaft teuer. Dann suchte ich den Check-in von Ryanair. Falsches Terminal, also noch mal raus und zum Terminal C gelaufen. Rucksack mit 14,x kg aufgegeben (15 kg hatte ich gebucht). Und nun musste ich noch Zeit vertrödeln. Was macht Mann in einer solchen Situation? Genau! Er geht ein Bier trinken. Was er dann auch tat. “Eine jede gute Reise beginnt mit einer Hefe-Weisse.”
Als ich dann zum Terminal C zurückkam, erschrak ich mächtig, denn auf der Hinweistafel stand für meinen Flug bereits: „go to gate“. Und das Gate sollte angeblich gleich schließen. Dann wurde es ziemlich sportlich, denn als Ryanair-Passagier musste ich durch sämtliche Terminals in der oberen Etage hetzen um dann den Flugzeug-Zubringer-Bus am anderen Ende der Flughafengebäude zu erreichen. Aber dort wartete bereits eine lange Schlange von Schottlandreisenden, die genauso abgehetzt aussahen wie ich.
Ankunft in SXF
Flug-Hefe
ich bin auch da
Mit den Modalitäten bei Ryanair sollte man sich bereits einige Zeit vor dem Abflug auseinandersetzen. 15 kg Gepäck für Hin- und Rückflug hatte ich gleich beim Kauf der Tickets gebucht. Einen Sitz nicht. War ich zu geizig. Für einen zweistündigen Flug ist mir das ziemlich Wurscht wo ich sitzen muss. Notfalls stehe ich auch. 7 Tage vor Abflug kann man bei Ryanair online einchecken und erhält gleich einen Sitzplatz zugewiesen. Mein Rückflug sollte jedoch 9 Tage später erfolgen. Da ich nicht wusste, ob ich von unterwegs einen Internetzugang haben werde, entschloss ich mich, den Check-In für den Rückflug bereits vorher durchzuführen. Dafür muss man dann halt doch einen Sitzplatz buchen. Natürlich kostenpflichtig. Und wichtig: Die Bordkarten müssen vom Passagier ausgedruckt vorgelegt werden bzw. kann man sich eine App von Ryanair aufs Smartphone laden und sich die Bordkarten anzeigen lassen. Ich tat Beides: je 2 Ausdrucke auf Papier (1. Backup!) und die Bordkarten in der Smartphone-App (2. Backup!). Da sollte eigentlich nichts passieren. Wenn das Papier nass wird (in Schottland soll es öfters regnen) habe ich noch die digitale Version. Kann man weder das Eine noch das Andere vorweisen und müssen die Bording-Pässe neu ausgestellt werden, wird’s richtig teuer.
Im Flieger sitzend - ich teilte mir die 3er-Reihe mit einer jungen Dame und durfte am Fenster sitzen *freu* - hatte ich einen schönen Ausblick auf Deutschlands größte und schönste und langlebigste Baustelle (kurz: BER). Ob ich das noch erleben werde, von dort abzuheben?
Der Flug war kurzweilig. Die Lehnen lassen sich bei RA nicht zurückstellen, das störte mich jedoch nicht weiter. Beim Landeanflug auf Glasgow sah ich die Highlands und den schönen Loch Lomond im Sonnenschein und die Vorfreude auf den Trail wuchs. Von wegen in Schottland regnet es ständig.
... über Brandenburg
Da lugt der Loch Lomond
"meine" Maschine
Ich muss in Schottland sein ...
Mein Rucksack war auch mitgeflogen und so holte ich mir erst einmal einige Pfünde (Pounds) aus einer ATM. Ich bekam das Geld, erschrak jedoch wegen des exorbitanten Kurses. Später erfuhr ich, dass ich den vorgeschlagenen Wechselkurs des Geldinstitutes zugestimmt habe. Hätte ich nicht akzeptiert, hätte der tagesaktuelle Umtauschkurs gegolten. Diese ********! Aber aus Schaden wird man klug. Manchmal jedenfalls.
Nun fuhr ich mit dem Shuttlebus direkt in die City. Glasgow! Was wusste ich über Glasgow? Fabrikstadt. Schornsteine. Zwei Footballteams: Celtic & Rangers. Ja! Football! Nicht Soccer!
Das war’s auch schon. Auf der Suche nach dem Bahnhof konnte ich die Prachtmeile von Glasgow, die Buchanan Street, entlangschlendern. Ganz nettes Städtchen. Was mir auffiel, es waren sehr wenig Tische vor den Pubs und Restaurants. Dabei war schönes Wetter. Vielleicht regnet es ja doch des Öfteren - in Schottland.
An der Queen Street Station fragte ich am Schalter nach dem nächsten Zug nach Milngavie („Muhlgai“). Hehe, der nette Mann am Schalter verstand mich. Ich ihn allerdings nicht! Ich verstand nur Bahnhof. „Grzm fro Prjgjeid dlebve, prjd dur fnvnv“ – oder so ähnlich. Mit Stift und Zettel teilte er mir mit, dass eine Fahrkarte 3,40 Pounds kostet, der Zug in wenigen Minuten eine Etage tiefer im lower level abfährt und ich in Partick umsteigen muss. Ich bekam ein Ticket, welches ich sogleich in der Bahnhofshalle verlor. Ein junger, eisleckender Schotte bemerkte dies und rannte mir hinterher und übergab mir das Ticket. Wirklich nett, die Schotten.
Nachdem ich mich bis zum lower level durchgefragt hatte (ich verstand immer noch nur „Bahnhof“ – hielt aber jeden den ich fragte den Zettel des Ticketverkäufers vor die Nase) … kam auch gleich der Zug. Scotsrail! Bis Partick war es eine kurze Fahrt. Dort sollte ich auf dem Bahnsteig warten bis der nächste Zug nach „Muhlgai“ kommt. Leider kapierte ich den Sinn der Texte an den elektronischen Anzeigetafeln nicht, zu viele Abkürzungen … da sehe ich Parallelen zur Deutschen Bahn. Man spricht „bahnisch“. Ist das international?
Ein nettes schottisches Pärchen bemerkte meine Unsicherheit und schon hatte ich ein Gespräch an der Backe. Sie versuchten „hochenglisch“ mit mir zu reden und ich verstand auch so einiges. Zumindest glaubte ich dies. Die beiden waren noch so nett und haben mich aus dem falschen Zug wieder rausgezogen und gewartet bis ich in den richtigen eingestiegen bin. Nett, die Schotten.
Glasgow I
Glasgow II
Glasgow III
In Milngavie angekommen (Zug endet dort, man kann nichts falsch machen), machte ich mich auf den Weg in den nächsten Supermarkt um eine Gaskartusche für meinen Kocher zu ergattern. Ohne Gas keinen Kaffee und kein Süppchen am Abend. Leider, leider war das nur ein ganz kleiner Supermarkt … und deren Campingabteilung bestand aus einem Kugelgrill und einem Campinghocker. Dann halt nicht. Ich wanderte noch 2-3km bis zum Campingplatz, wo ich die erste Nacht verbringen wollte. Um Gas musste ich mich am nächsten Morgen kümmern, da war ja noch ein Baumarkt in der Nähe.
Ich erreichte den Campground auf einer Farm und stellte fest: Ich bin allein. Kein anderes Zelt. Nüscht. Also schnell Zelt aufgebaut und das Sanitärhäuschen gecheckt. Sauber aber klein. Wasser sehr heiß. Heißes Wasser? Da kann ich ja mal das Instantkaffeepulver ausprobieren. Mmm. Geht so! Jedenfalls saß ich mit meiner Tasse halbwarmer brauner Brühe vorm Zelt, lernte die ersten Midges kennen und genoss die Aussicht auf die landenden Flugzeuge, die direkt über meinem Zelt das Fahrwerk ausfuhren. Das kann ja ‘ne Nacht werden.
(was man nicht gleich erkennt: Da kommt 'ne Stretch-Limo die Straße runter -> sh. Schild)
... available campsite ...
... occupied ...
... "Where the big jet engines roar" ...
... so endet mein erster Tag in Schottland ... grrrrrrhhhh!
Viele Grüße,
Nick
P.S.: Wollt Ihr wissen, wie's weiterging?